Erfüllte Zeit

31. 10. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

Martin Luther „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520)

 

Zum ersten: Damit wir gründlich mögen erkennen, was ein Christenmensch sei, und wie es stehe um die Freiheit, die ihm Christus erworben und gegeben hat, davon Sankt Paulus viel schreibt, will ich diese beiden Sätze aufstellen:

 

Ein Christenmensch ist ein freier Herr

über alle Dinge und niemand untertan.

Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht

aller Dinge und jedermann untertan.

 

Zum andern: Diese zwei einander (scheinbar) widersprüchlichen Reden von der Freiheit und Dienstbarkeit zu begreifen, sollen wir gedenken, dass ein jeglicher Christenmensch von zweierlei Natur ist, nämlich von geistlicher und leiblicher.

 

Nach der Seele wird er ein geistlicher, neuer, innerlicher Mensch genannt; nach dem Fleisch und Blut wird er ein leiblicher alter und äußerlicher Mensch genannt. Und um dieses Unterschiedes willen wird von ihm gesagt in der Schrift, die sich geradezu widerspricht, wie ich jetzt von der Freiheit, andererseits von der Dienstbarkeit gesagt habe.

 

Aus: Gerhard Wehr, Hg. „Mystik im Protestantismus. Von Luther bis zur Gegenwart“, Claudius-Verlag