Erfüllte Zeit

12. 12. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

Moses Maimonides - Der Führer der Verwirrten, aus Kap. XI und XII.

 

Alle die großen Übel, die Menschen einander aus bestimmten Interessen, Bedürfnissen, Meinungen oder religiösen Grundsätzen antun, entstehen aus Ignoranz, das heißt aus dem Gegenteil von Weisheit. Weisheit gehört zur Gestalt des Menschen wie das Sehen zum Auge, und wenn Menschen Weisheit besäßen, würden sie niemandem Schaden zufügen. Denn die Erkenntnis der Wahrheit beseitigt Hass und Streit und verhindert wechselseitige Verletzungen. (..)

 

Menschen denken gewöhnlich, dass die Übel in der Welt zahlreicher sind als die guten Dinge. Doch das ist eine falsche Ansicht. Es gibt drei Arten von Übel, die Menschen befallen: erstens das Übel, das dem Menschen dadurch zugefügt wird, dass er entsteht und vergeht und einen Körper hat. Die zweite Art der Übel sind jene, die Menschen einander zufügen, z.B. wenn die einen ihre Macht über andere ausnützen. (..) Und die dritte Art des Übels fügen sich die Menschen selbst zu. Diese Klasse des Übels entsteht aus den schlechten Angewohnheiten der Menschen - z.B. einem exzessiven Verlangen nach Essen, Trinken und Liebe. Das bringt den Körper und auch die Seele in Schwierigkeiten. Denn die Seele residiert im Körper und man sagt, dass die Eigenschaften der Seele von dem Zustand des Körpers abhängen. (..) Und wenn sich die Seele an überflüssige Dinge gewöhnt, dann entwickelt sie ein grenzenloses Verlangen nach Dingen, die weder für das Überleben des Einzelnen noch für das Überleben der Gattung notwendig sind. (..) Wenn Menschen dann mit den Konsequenzen ihrer Lebensführung konfrontiert sind, beklagen sie sich über Gott und die ungerechten Zeitumstände. Dabei stammen all die Schwierigkeiten, die sie erfahren, aus dem Verlangen nach Überflüssigem.