Erfüllte Zeit

06. 01. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

aus: „Das Weihnachten der Dichter“ – Große Texte von Thomas Mann bis Reiner Kunze, von Karl-Josef Kuschel,

Verlag Patmos

 

 

„Meine Seele preist Gott.

Er ist groß. (...)

Sein Arm ist gewaltig.

Ein Schnitter, der die Spreu zertritt:

So zerstreut er die Stolzen,

die hochmütig sind in ihrem Herzen,

und stößt die großen Herren von ihren Thronen.

Die Niedrigen aber hebt er empor

und richtet sie auf.

Die Hungrigen sättigt er doppelt,

die Reichen schickt er mit leeren Händen davon.

Israels, seines Knechts,

nimmt er sich an und ist barmherzig:

so wie er unseren Vätern, für immer, versprach,

Abraham und seinen Kindern,

barmherzig zu sein.“ (Lk 1,46-55)

 

 „Wären statt der heiligen Drei Könige Konfuzius, Laotse, Buddha aus dem Morgenland zur Krippe gezogen, so hätte nur einer, Laotse, diese Unscheinbarkeit des Allergrößten wahrgenommen, obzwar nicht angebetet. Selbst er aber hätte den Stein des Anstoßes nicht wahrgenommen, den die christliche Liebe in der Welt darstellt, in ihren alten Zusammenhängen und ihren nach Herrenmacht gestaffelten Hierarchien. Jesus ist genau gegen die Herrenmacht das Zeichen, das widerspricht, und genau diesem Zeichen wurde von der Welt mit dem Galgen widersprochen: Das Kreuz ist die Antwort der Welt auf die christliche Liebe. Auf die Liebe zu den Letzten, die die Ersten sein werden, zu den Verworfenen, worin sich das wirkliche Licht ansammelt, zu der Freude, die nach Chestertons scharfem Wort die große Publizität weniger Heiden war und das kleine Geheimnis aller Christen wurde oder sein wird."