Erfüllte Zeit

22. 02. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Von der Vergeltung und von der Liebe zu den Feinden“

Lukas 6, 27 - 38

 

von Pfarrer Nikolaus Krasa

 

Haben Sie Feinde? Sie haben richtig gehört, die Frage lautet: haben Sie Feinde? Die erste Antwort, die ihnen (mir ist es zumindest so gegangen) vermutlich auf den Lippen liegt: „ich doch nicht, aber woher! In einem zivilisierten Land Feinde?!“ Aber so einfach lasse ich sie nicht los mit meiner Frage, „haben Sie Feinde“, ich formuliere sie nur etwas anders: „Haben Sie schon erlebt, dass Ihnen Menschen Böses, Unrecht angetan haben? Im Berufsleben, weil sie weiterkommen wollten, in Ihrer Familie vielleicht beim Streit um eine Erbschaft. Oder Freunde, die sich plötzlich gegen Sie gestellt haben? Menschen, bei denen sie einfach Ärger spüren, wenn Sie an sie denken...

Und genau diese Menschen sollen sie lieben, ihnen gutes tun, sie segnen, für sie beten. Genau sie sind die Feinde von denen das heutige Evangelium spricht. Genau sie sollen sie lieben. Ziemlich steil, was Jesus da von uns verlangt. Und zwar dezitiert: „Euch, die ihr mir zuhört, sage ich.“, so hat der zweite Teil der sogenannten Feldrede, unser heutiges Tagesevangelium, begonnen. Ich vermute Sie haben zugehört, beim Evangelium nach Lukas, vor wenigen Minuten.

Was sie da gehört haben, ist das Gegenstück zur Bergpredigt, die ihnen vielleicht aus dem Matthäusevangelium vertraut ist. Und ähnlich wie diese Bergpredigt bei Matthäus stellt die Feldrede bei Lukas die erste große Rede Jesu an die Menschen dar, die ihm nachfolgen, die ihm zuhören. Heute würden wir vielleicht sagen, sie ist so etwas wie sein Programm, seine inhaltlichen Grundlinien. Ihren ersten Teil haben wir vergangenen Sonntag gehört, die Seligpreisungen und Weherufe, den dritten Teil der Feldrede werden wir nicht mehr hören, da in einer Woche die Fastenzeit begonnen hat, mit einem eigenen Evangelium für den ersten Fastensonntag.

Die Feinde lieben: die Latte liegt ziemlich hoch. Und das gleich am Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. Er nimmt sich also kein Blatt vor den Mund. Mehr noch, damit uns die Sache in ihrer ganzen Tragweite bewusst wird, führt Jesus noch ein Paar Beispiele an. Und auch die haben es in sich: da ist zunächst das bekannte Bild vom Schlag auf die Wange. Vermutlich ist dabei daran gedacht, dass der zweite Schlag, den man zulassen soll, der auf die andere Wange, mit dem Handrücken durchgeführt wird, also noch mehr schmerzt. Das zweite Beispiel ist auch nicht ohne: meist hatten die Menschen damals nur einen Mantel, wenn einem der weggenommen wurde, dann auch noch das Hemd zu geben ist hart und zum Schluss gestohlenes Gut nicht zurückzuverlangen, ist dann noch die Krönung des Ganzen.

 

Wir können uns leicht vorstellen, dass in einem Land, das von fremden, römischen Truppen besetzt ist, diese Beispiele nicht theoretisch sind, sondern beinharte Realität. Und wie oft haben wir in unserem Leben von anderen eine zumindest fiktive Watschen bekommen, wie oft ist uns etwas weggenommen worden, was uns zustünde, Geld, Ansehen, Ehre zum Beispiel?

Und die, die uns das antun, sollen wir geschehen lassen. Ihnen nicht mit Gewalt entgegnen. Das machen die Beispiele die Jesus verwendet, klar. Diese Feinde sollen wir lieben.

Wie soll das funktionieren? Besser, wie soll das irgend jemand auf dieser Welt zusammenbringen? Die Antwort Jesu geht eigentlich noch einen Schritt weiter: er fragt gar nicht: wie geht das, er fragt: warum muss das so sein? Und: die Antwort Jesu ist dabei eigentlich nicht neu, sie schärft nur noch einmal ein, was Israel eigentlich wissen sollte. So formuliert ein Autor in der großen jüdischen Gemeinde Alexandriens im Nildelta irgendwann um die Zeitenwende im Buch der Weisheit: wenn Israel Gottes Sohn ist, dann muss es tun, was jeder Sohn tut: von seinem Vater lernen.

 

Und auch das, modern gesprochen, Lernziel wird angegeben: Israel soll von seinem Vater von Gott also, Menschenfreundlichkeit lernen. So auch die Argumentation Jesu im heutigen Evangelium: wer seine Feinde liebt, wird Sohn, Tochter Gottes sein. Und: er/sie ahmt dabei Gott nach: Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist, so der heutige Evangelientext.  Keine Last also, sondern eigentlich ein Privileg, an das Jesus uns erinnert: das Privileg der Söhne und Töchter Gottes, Gottes ureigenes Verhalten lernen zu dürfen, mehr noch: geschenkt zu bekommen. Gebt, dann wird euch gegeben, hat es im heutigen Evangelium geheißen.

Die Feindesliebe also eigentlich ein Privileg, das Privileg der Kinder Gottes, so sein zu dürfen, wie Gott ist.

 

 

 

Zum tibetischen Neujahr

Dalai Lama

 

Wir sind in der Tat Zeuge einer gewaltigen und weit verbreiteten Bewegung für die Durchsetzung der Menschenrechte und demokratischen Freiheiten in der Welt. Diese Bewegung hat eine so große moralische Kraft, dass auch entschlossene Regierungen und Armeen sie nicht unterdrücken können. Das ist ein ermutigendes Anzeichen für den Triumph des menschlichen Freiheitsgeistes.

Die Zunahme der demokratischen Freiheiten für einzelne wie auch die wachsende Anerkennung der Rechte der Nationen und Völker ungeachtet ihres politischen Status erfüllt viele von uns mit Mut und Hoffnung für die Zukunft.

 

Es ist natürlich und gerecht, dass Nationen und Völker die Achtung ihrer Rechte und Freiheiten fordern und um die Beendigung von Unterdrückung, Rassismus, militärischer Besetzung und verschiedener Formen der Kolonialisierung und Fremdherrschaft kämpfen. Die Regierungen sollten aktiv und nachdrücklich solche Forderungen unterstützen, statt nur Lippenbekenntnisse zu allgemeinen Prinzipien abzugeben.

Wir erleben den Anbruch eines Zeitalters, in dem extreme politische Konzepte und Dogmen in den menschlichen Beziehungen vielleicht bald keine Rolle mehr spielen werden. Wir müssen diese historische Chance nutzen, um universelle menschliche und spirituelle Werte an ihrer Stelle treten zu lassen und sicherzustellen, dass diese Werte zum Credo der Weltfamilie werden, die jetzt entstehen will.

Es ist unsere kollektive und individuelle Verantwortung, die Weltfamilie zu schützen und zu fördern, ihre schwächeren Mitglieder zu unterstützen und die Umwelt zu erhalten und zu pflegen, in der wir alle leben.

Das tibetische Volk möchte seinen Beitrag leisten und seine Verantwortung wahrnehmen. Wir sind kein großes und mächtiges Volk, doch haben uns unser Lebensstil, unsere Kultur und unsere spirituelle Tradition auch angesichts großer Mühsal und großen Leides geholfen, auf dem Pfad des Friedens zu gehen und im Streben nach Liebe und Mitgefühl Trost zu finden.

Das tibetische Volk hat den sehnlichen Wunsch, wenn es die Möglichkeit hätte, die Hochebene, die seine Heimat ist, in ein wahres Heiligtum des Friedens zu verwandeln, in dem Menschen und Natur in Harmonie und Frieden leben können.

Wir möchten unseren eigenen bescheidenen Beitrag zur Förderung des Friedens und der Menschenrechte leisten, die alle Mitglieder der Weltfamilie ersehen.