Das Evangelische Wort

Sonntag, 18. 11. 2001,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

 

von Pfarrer Mag. Arno Preis

 

 

Aus Johannes Evangelium 14. Kapitel der Vers 1: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich.

 

ZEIT – Sterben lernen – leben lernen!

 

Wir glauben, den Tod vermeiden zu können – einfach nicht an ihn denken und ihn verdrängen. Und doch: Wir brauchen die Auseinandersetzung mit dem Gedanken an unser eigenes Sterben oder mit dem möglichen Sterben eines anderen Menschen. Wir öffnen unser Herz für Sorgen und Ängste: Wäre ich bereit zu gehen? Wie wäre es für mich, Abschied zu nehmen vom Leben, von der Natur, eines geliebten Menschen? Da tauchen vielleicht nie gekannte Gefühle der Angst, der Wut oder der Trauer auf. Wichtig ist, diese Gefühle und Gedanken zuzulassen und Wege zu suchen, sie im Gespräch mit anderen auszusprechen. Durch das Aussprechen dieser Gefühle und Gedanken, können wir erfahren, dass wir mit ihnen nicht alleine sind. Unsere Abwehr und Angst kann sich verändern und wandeln. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod heißt nicht, dass wir ein abgeklärtes Verhältnis zum Tod haben, doch zeigt sie uns deutlich, wo wir selber im Augenblick im Leben stehen.

 

Ich frage dazwischen: Mein Gott, wir wissen nicht so genau wohin du gegangen bist. Und vieles, was wir vielleicht mit dem Kopf verstanden haben, ist noch lange nicht auch in unserem Herzen angekommen. Wenn ich krank werde, was wird dann aus mir? Wenn ich einen lieben Menschen hergeben muss, wie werde ich damit fertig werden? Wenn die Beziehung mit meinem Lebenspartner in die Brüche geht, wie kann ich das bewältigen? Wenn ich meine Arbeitsstelle verliere, werde ich genügend Halt finden? Ich weiß, meine inneren Widerstände, der Einladung Jesu zu folgen, sind groß. Ich habe immer viele Bedenken, und scheue, den notwendigen Aufbruch zu wagen; Natürlich habe ich auch Angst vor totaler Veränderung und frage weiter: Wie verbringe ich meine Zeit? Was soll aus mir persönlich werden? Welche Gefühle wohnen in meinem Herzen? Welche Gefühle zwischen Schwermut und verborgener Hoffnung lasse ich gelten? Lebe ich mein Leben, so, dass ich bereit bin zum Sterben, oder meine ich, vieles versäumt zu haben? Ich stoße auch auf die Frage, welchen Sinn ich in meinem Leben sehe und welche Gedanken und Vorstellungen, Wünsche und Hoffnungen ich mit dem Tod und dem Sein danach verbinde.

 

Leben ist Schreiten auf einem Weg:

 

Manchmal stehe ich still, schaue zurück, blicke nach vorn, - ungewiss, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Dann wieder laufe ich munter, zielbewusst los.

 

Aber von Zeit zu Zeit spüre ich deutlich: ich bin allein geblieben, abgekommen vom Weg. Dann wünsche ich mir einen Menschen, der mit mir geht, der sich mit mir dem Abenteuer des Lebens aussetzt, bei dem ich mich anlehnen kann, der mir hilft auf meine Frage eine Antwort zu finden.

 

Für Glaubende ist Jesus v. Nazareth ein möglicher guter Lebensbegleiter:

 

Die Reise durchs Leben ist, wie jede Reise, eine spannende Sache. Das kann und will uns Jesus Christus nicht abnehmen. Aber mit dem Vertrauen auf Christus im Reisegepäck wird unser Weg nicht zur blinden Irrfahrt in die Dunkelheit. Mit Christus im Reisegepäck kann auch in uns die Gelassenheit wachsen.

 

Vielleicht gelingt es aus dieser Beheimatung in Christus, in diesem Wissen nicht verloren gehen zu können. Vielleicht reiche ich meinem Gegenüber, über Rosen und Nesseln, die Hand, damit, wie Jesus sagt, ihr seid, wo ich bin. Es täte uns gut, in dieser liebenden Zuwendung miteinander umzugehen. So sind wir zu einem neuen Leben berufen. Freude und Hoffnung, Liebe und Vertrauen können die Marksteine des Weges sein.

 

So ergibt sich zu Lebzeiten die Chance, das für uns als Richtig erkannte ins Leben hinein umzusetzen und zu verwirklichen. Denn wer nach dem Leben fragt, muss nach dem Tode fragen, denn heute ist der einzige Tag, den wir haben.

 

"Jetzt" ist nicht alle Tage. Die Zeit, die ich jetzt, in diesem Augenblick, habe, ist kostbar. Was Uhr und Kalender anzeigen – die Minuten, die Stunden, die Tage – sind nicht eine leere Zeit, sondern gefüllt mit Gnade, das heißt mit Möglichkeiten, Gelegenheiten, Hoffnungen. Ich kann sie nutzen. Ich kann sie hingehen lassen. Sie sind nicht nur Zeit. Hinter dem Schleier der Zeit enthalten sie Ewigkeit.

 

In den Tod, als eine Herausforderung ernst nehmen können wir nur dann, indem wir gleichzeitig den noch ernster nehmen, der ihn für uns überwunden hat. Dann wissen wir um die große Bedeutung des erfüllten Augenblicks.