Das Evangelische Wort

Sonntag, 25. 11. 2001,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

 

von Pfr. Manfred Sauer (Pörtschach, Kärnten)

 

 

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

(Ps. 90, 12)

 

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie das sein wird, mein eignes Sterben.

Ein kurzer Augenblick?

Das Herz, das plötzlich aufhört zu schlagen. Ein kleines Äderchen, das im Kopf zerplatzt. Einfach umfallen, wie ein Baum, den man fällt. Oder doch ein längerer Prozess, ein langsames Fortgehen und Abscheidnehmen? Vielleicht sogar ein Kampf bis zum Schluss gegen bösartige Zellen, die sich unaufhaltsam im Körper ausbreiten?

 

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie das sein wird, mein eigenes Sterben, und wenn ich das versuche, bekomme ich Angst. Angst vor der Vorstellung, nicht mehr aufwachen, nicht mehr die Augen zu öffnen. Angst von der Vorstellung, nicht mehr da zu sein, nicht mehr bei denen zu sein, die mir lieb und teuer sind.

 

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Die Worte des 90. Psalms verraten nichts mehr von der Angst vor dem Sterben. Es kann sehr schnell vorbei sein. Am Morgen noch voll Tatendrang, voll jugendlichem Elan und ein paar Stunden später dann alles ganz anders. "Wie ein gras ist unser Leben, das am, Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt."

 

Das Leben ist kurz, das Leben ist kostbar, und es ist begrenzt. Das vergessen wir leicht. Wenn wir mitten im Leben stehen, wenn wir gefragt und wichtig sind, dann glauben wir unersetzbar zu sein. Robert Hechner hat im letzten Interview vor seinem Tod gesagt: "Jeder ist unersetzbar und jeder ist ersetzbar. Unser Leben ist begrenzt und es gibt auch ein Zuspät. Darum ist wichtig, das klärende Gespräch nicht aufzuschieben und das versöhnende Wort sich nicht aufzusparen. Ein Freund hat mir gesagt, dass er sich vorgenommen hat, nicht mehr im Streit aus dem Haus zu gehen, denn jeder Abschied kann der letzte sein. Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klüger werden.

 

Wir feiern heute den Ewigkeitssonntag. In allen evangelischen Gottesdiensten versammeln sich heute Menschen, die in dem zu Ende gehenden Kirchenjahr einen vertrauen, geliebten Menschen verloren haben. Plötzlich, mitten aus dem Leben, viel zu früh, andere nach langem schweren Leidensweg. Tod und Abschied, aber auch die Hoffnung unseres Glaubens über den Tod hinaus werden heute in den Liedern, Gebeten und Predigten zur Sprache kommen. Mein Glaube hilft mir, mit der Angst vor dem Sterben besser umzugehen. Nicht so, dass damit dieses beklemmende Gefühl völlig ausgelöscht wäre. Aber doch so, dass ich ruhiger und gelassener werde. Ich spüre eine Geborgenheit, dann ganz aufgehoben und bewahrt zu sein bei Gott.

 

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen auf das wir klug werden. Dieses Wort aus dem 90. Psalm will mich klug machen mit meinen Fähigkeiten sinnvoll und fröhlich zu leben.