Das Evangelische Wort

Sonntag, 06. 01. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

von Superintendent Mag. Manfred Sauer, Villach, Kärnten

 

"Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandte in deiner Wahrheit." (Ps.86, 11)

 

Der berühmte Maharal aus Prag trifft auf der Straße seinen Freund, seine Majestät Kaiser Rudolf, der ihn fragt, wohin er gehe.

 

"Ich weiß es nicht, Herr", antwortet der jüdische Weise. Du machst dich wohl über mich lustig? Du hast dein Haus. verlassen, um auszugehen, und weißt wirklich nicht wohin du gerade gehst? Nein Majestät, ich weiß es nicht.

 

Voller Wut lässt der Kaiser ihn wegen Majestätsbeleidigung verhaften und ins Gefängnis werfen. Aber vor dem Richter rechtfertigt der Maharal seine Worte so: Was habe ich seiner Majestät denn Falsches gesagt? Ich sagte, ich wisse nicht, wohin ich gehe, und hatte ich nicht recht? Als ich mein Haus verließ, wollte ich eigentlich in die Synagoge - und jetzt bin ich im Gefängnis.

 

Wohin soll es gehen im neuen Jahr? Was nehme ich mir vor? Wohin will ich auf jeden Fall kommen? Was möchte ich erreichen? Das sind für mich im Augenblick sehr wichtige Fragen, denn am 1. Jänner hat meine Amtszeit als neuer Superintendent der Diözese Kärnten-Osttirol begonnen. Zu welchen Zielen möchte ich gelangen?

 

Der jüdische Gelehrte aus Prag ist mir sympathisch. Er ist vorsichtig bei der Zielangabe. Er ist unerschrocken und lässt Sich vom König nicht einschüchtern. Es gefällt mir, dass er sich nicht stur auf sein Ziel eingeschworen hat. sondern offen bleibt für Unvorhergesehenes. Es kann mir passieren, dass ich ganz wo anders lande, als ich ursprünglich geplant habe.

 

So ist es ja auch den HI. Drei Königen ergangen. In Jerusalem angekommen, meinen Sie, das Ziel ihrer langen Reise erreicht zu haben. Sie wollen im Königspalast des Herodes dem neugeborenen König ihre Aufwartung machen. Doch sie sind am falschen Ziel. Nicht im Zentrum der Macht. sondern an einem unscheinbaren Ort, im j Stall von Bethlehem finden sie, was sie gesucht haben, das göttliche Kind, Christus den Heiland der Welt.

 

"Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit."

 

Der Beter des 86. Psalms bekennt ganz klar, dass er nicht nur nach seinen eigenen Zielvorstellungen leben will. Er bittet Gott um sichtbare Zeichen. Er bittet Gott darum, den richtigen Weg zufinden.

 

Das möchte ich auch. Offen sein für Unvorhergesehenes und nicht verbissen an meinen Zielvorstellungen festhalten. Unerschrocken und mutig gegenüber den Mächtigen. Das möchte ich auch, dem richtigen Stern folgen und nicht von falschem Glanz geblendet werden. Das wünsche ich einem jeden von uns, dass wir Gottes guten Stern erkennen, der uns den richtigen Weg weist.