Das Evangelische Wort

Sonntag, 03. 02. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

von Pfarrer Klaus Niederwimmer, Klagenfurt, Kärnten

 

 

Ich lese Ihnen ein Wort aus dem 36. Psalm vor, wo es heißt:

"Bei dir o Gott ist die Quelle des Lebens"

Vor einigen Tagen ist die Gebetswoche für die Einheit der Christen zu Ende gegangen.

Christen auf der ganzen Welt beteten darum, dass nicht das Trennende, sondern das Verbindende zwischen Konfessionen und Menschen gesucht wird.

Am Donnerstag dieser Gebetswoche gab es ein ganz besonderes Ereignis: In Assisi trafen sich auf Einladung des Papstes über 200 Vertreter aus vielen christlichen Kirchen und anderen Religionen der Welt:

Christen, Buddhisten, Hinduisten, Moslems, Juden, Vertreter von Naturreligionen u.a.m.

Ziel dieser Veranstaltung war der Wunsch zu einem weltweiten Gebet für den Frieden; ein Zeichen sollte gesetzt werden gegen Gewalt, Krieg, Terror und Resignation.

Faszinierend war es, die Vielfalt der Menschen, Kulturen, Rassen und der Religionen zu sehen.

Ich habe mich gefragt, wie es möglich ist, dass trotz so vieler oftmals trennender Glaubensansichten Menschen aus aller Welt zusammenkommen und gemeinsam ein Zeugnis für Toleranz, Frieden und Versöhnung geben.

Sind dies nur Menschen guten Willens, die ein Zeichen setzen wollen?

Sind es Menschen, die ihre Verantwortung für den Frieden auf dieser Erde wahrnehmen?

Sicherlich auch!

Aber zu allererst sind es wohl Menschen, die bewegt sind von ihrem Glauben an Gott – mag dieser Glaube auch noch so unterschiedlich geprägt sein, mag das Zentrum des Glaubens Allah, Buddha, Jahwe oder wie auch immer heißen.

Gott ist für sie "Quelle des Lebens", so wie es auch in Psalm 36, dem Motto für die Gebetswoche der Einheit, heißt.

Der Glaube an diese Quelle des Lebens bewegt sie und setzt sie in Bewegung.

In Bewegung aus allen Teilen der Welt – hin nach Assisi, hin zum Gebet über alle Grenzen hinweg:

Über die der Konfession, der Religion, der Nation, der Rasse und der Hautfarbe.

Man könnte solch einer Veranstaltung "Synkretismus" oder Verrat an der eigenen Religion vorwerfen.

Ich bin jedoch der Überzeugung, dass der Dialog der Religionen, das Gespräch miteinander und das gemeinsame Gebet in dieser unserer Zeit unentbehrlich sind.

Wie, wenn nicht gemeinsam, kann es gelingen, gegen die vielfältigen Formen von Gewalt und Terror aufzutreten.

Einheit ist gefordert, um zu demonstrieren, dass es überall auf der Welt – in allen Religionen unendlich viele Menschen gibt, die von der Sehnsucht nach Frieden getrieben sind – grenzenlos.

Erfahrungen mit Gott haben sie gemacht; darum setzen sie sich ein für den Frieden der Welt; wollen Sprachrohr sein für die vielen, die sich nach Frieden sehnen.

Glaube an Gott, wie immer er heißen mag, darf niemals mehr zur Legitimation für Gewalt, Krieg oder Terror werden.

Es darf keinen Krieg geben, der im Namen irgendeines Gottes geführt wird. "Bei dir o Gott ist die Quelle des Lebens" - Krieg aber bedeutet Tod.

Gott aber ist ein Gott des Lebens, der Toleranz, des Friedens.

Gegen jedwede Gewalt aufzustehen, für Frieden zu beten ist Auftrag von uns Christen und aller Menschen, die sich ihrer Religion, ihrem Glauben verpflichtet wissen.

Zu allen Zeiten hat der Glaube an Gott Menschen in Bewegung gesetzt – unendlich viele Beispiele ließen sich nennen bis hin zu Mahatma Gandhi und Martin Luther King.

Sie haben von dem Wasser des Lebens getrunken, Gott ist ihnen Quelle des Lebens geworden.

Als Christen und glaubende Menschen haben wir die Möglichkeit und den Auftrag, dieses Wasser mit allen zu teilen, die nach Leben und Frieden dürsten.

Das gemeinsame Gebet kann ein erster Schritt in diese Richtung sein.