Das Evangelische Wort

Sonntag, 10. 02. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

von Pfarrerin Mag. Renate Rampler, Arnoldstein, Kärnten

 

 

Als Jesus in Betanien war, im Hause Simons des Aussätzigen, trat zu ihm eine Frau, die hatte ein Glas mit kostbarem Salböl und goss es auf sein Haupt, als er zu Tisch saß. Als das die Jünger sahen, wurden sie unwillig und sprachen: Wozu diese Vergeudung? Das Öl hätte teuer verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können. Als Jesus das merkte, sprach er zu ihnen: Was betrübt ihr diese Frau? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit.

Matthäus, Kapitel 26, Verse 6 bis 11

So gern ich beim Frühstück meine Zeitung lese, manchmal habe ich fast Angst, sie aufzuschlagen. Was kann ich denn da lesen? Von Bombenattentaten und Kriegsdrohungen, von Korruption und Skandalen. Dazwischen eingestreut finde ich vielleicht noch eine Statistik über die steigende Arbeitslosenzahlen, einen Bericht vom Ausbruch einer Seuche in einem der unzähligen Flüchtlingslager unserer Welt, von einer Dürrekatastrophe irgendwo in Afrika und vom Aussterben einer Tier- oder Pflanzenart.

"Only bad news are good news" heißt es. Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Und jeder Tag bietet da reichlich Stoff.

Der 11. September mit seinen dreitausend Toten hat das ohnehin schon volle Fass zum Überlaufen gebracht. Von da an ist anscheinend allen plötzlich klar gewesen, dass unsere Welt gewalttätig und vom Tod bedroht ist.

Unter diesen Umständen sind verschiedene Feiern abgesagt worden. Sogar auf das große Feuerwerk zu Silvester haben manche Städte verzichtet. Und immer wieder höre ich, dass auch der Fasching heuer doch nicht so gefeiert werden soll, wie sonst immer.

Dieses ausgelassene, fröhliche Treiben steht doch im Widerspruch zu unseren täglichen Erfahrungen. Das laute Lachen stört doch das Schweigen derer, denen das Leid und die Angst die Sprache verschlagen haben. Das laute Lachen kann doch den Donner der Kanonen und die Explosion der Bomben nicht überdecken.

Ich denke, das sind gute, vernünftige Argumente. Wie oft habe ich mich über den Lärm der Silvesterkracher geärgert und gefragt, wie viel Geld da im wahrsten Sinn des Wortes "verpulvert" wird. Könnten wir diese Gelder nicht besser gebrauchen? Könnten wir damit nicht bittere Not lindern? Geht uns was ab, wenn wir ein paar Bälle auslassen und uns nicht verkleiden?

Vernünftig sind diese Überlegungen. Seriös, weitblickend und, wie die Szene bei Johannes zeigt, unchristlich. Matthäus

Es ist schon seltsam: die Jünger sprechen als Anwälte der Armen und geraten ausgerechnet dadurch mit Jesus in Konflikt. Die Jünger fordern eine Umverteilung zugunsten der sozial Schwachen und werden von Jesus zurückgepfiffen.

Jesus durchschaut ihre kurzzeitige moralische Entrüstung. Er warnt vor Alibi-Handlungen. "Arme habt ihr jederzeit bei euch." Die Welt läuft nicht erst seit vier Monaten in die verkehrte Richtung.

Mit dem bei Feuerwerken gesparten Geld können wir höchstens Almosen geben. Den Grund für das Elend schaffen wir damit nicht aus der Welt.

Freilich, wir könnten uns dann beruhigt auf die Schulter klopfen. "Gut haben wir das wieder gemacht. So sozial sind wir gewesen." Aber haben wir damit schon die Botschaft Jesu begriffen? Diese Botschaft von einem Gott, der von Liebe und Lebensfreude überschäumt? Diese Botschaft von einer Liebe, die uns ansteckt und erfüllt? Von einer Freude, die sogar noch über den Tod hinaus wirkt?

Ich möchte diese Botschaft wiederentdecken. Gerade in diesen Tagen, im Fasching, in der närrischen Zeit. Ich möchte lernen, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen und zu lachen. Ich möchte lernen, das Leben zu feiern. Gemeinsam mit den Menschen, die mit mir unterwegs sind. Auf den Spuren Jesu.

Ich glaube, es ist diese Freude, die Grenzen überwindet, Arme reich macht und Angst in Hoffnung verwandelt.

Denn Jesus hat gesagt: "Was betrübt ihr diese Frau? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit.