Das Evangelische Wort

Sonntag, 20. 01. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

von Pfarrer Dr. Klaus Heine

 

Ich, der Herr, rufe dich in Gerechtigkeit und fasse dich bei der Hand.

Ich bilde dich und mache dich zum Bund des Volks, zum Licht der Heiden, zu öffnen blinde Augen, aus dem Kerker zu führen Gefangene, aus dem Gefängnis, die im Finstern wohnen. (Jesaja Kap. 42 Vers 6 u. 7)

 

Die Halle der Welt mit Licht erfüllen, so ist eine eigentümliche Geschichte von den Philippinen betitelt:

 

Ein König hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, da wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: "Füllt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend. Womit, das ist eure Sache." Die Weisen sagten: "Das ist eine gute Aufgabe."

 

Der älteste Sohn ging davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: "Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen." Mit dem Aufseher der Arbeiter wurde er einig, und sie schafften bis zum späten Nachmittag das ausgedroschene Zuckerrohr in die Halle. Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: "Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger."

 

Der Vater antwortete: "Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten."

 

Bald darauf kam auch der jüngere Sohn. Er bat darum, das ausgedroschene Zuckerrohr wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein.

 

Der Vater sagte: "Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen."

 

Die brennende Kerze, die die große Halle mit Licht erfüllt, ist ein tiefes Symbol. Es ist ein sanftes, warmes Licht, das den Augen nicht weh tut und trotzdem Orientierung gewährt. Die Kerze spendet dem Leben dienliches Licht, indem sie sich verzehrt. Sie lädt ein, weitere Lichter zu entzünden. Auf sanfte, aber unwiderstehlich fortschreitende Weise wird das Dunkel der Welt besiegt. Welche Verheißung für ein gutes Wort, ein freundliches Lächeln, eine schöne Musik, eine zärtliche Berührung, die dem Dunkel und der Kälte in unseren Beziehungen den Kampf ansagen.

 

Im Jesajabuch wird der Knecht Gottes befähigt und beauftragt, in einer besonderen Weise die Halle der Welt mit Licht zu erfüllen. Er besiegt die Blindheit und führt in die Freiheit. Wir sehen in Jesus Christus diesen Knecht Gottes, der uns das Licht und den Glanz der göttlichen Liebe ganz menschlich nahe bringt. Und so wie wir in diesen Wintertagen, vor allem wenn der Hochnebel den ganzen Tag es nicht hell werden lassen will, sehnsüchtig auf das Licht des Frühlings und seine Wärme warten und deshalb jeden Strahl der Wintersonne erfreut begrüßen, so sind wir in der Weltfinsternis und Weltkälte dankbar für jedes Zeichen menschlicher Wärme und Liebe. Es hält unsere Hoffnung auf die ganz andere Welt Gottes wach, in der sein Licht einmal alles strahlend erfüllt.