Das Evangelische Wort

Sonntag, 14. 04. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

von Superintendent Manfred Sauer, Villach, Kärnten

 

 

Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. (Mt.5,41)

Meine Kinder wollten in den Osterferien unbedingt ins Kino. Ice age – Eiszeit. Die Geschichte von drei sehr unterschiedlichen Figuren: ein Mammut, ein Faultier und ein Säbelzahntiger, deren Wege sich durch Zufall treffen.

 

Alle Tiere, und Menschen sind im Aufbruch Richtung Süden, um dem wachsenden Eis zu entkommen. Das Faultier, das die Abreise seiner Artgenossen verschläft trifft zuerst auf das Mammut und wittert sofort seine Chance, an dessen Seite den Weg fortzusetzen. Es kann nur von Vorteil sein, sich einem Großen und Starken anzuschließen, denn das Leben ist bekanntlich ganz schön gefährlich.

 

Doch das Mammut wehrt sich vehement gegen eine Weggemeinschaft mit dem Faultier. Es empfindet sich als Einzelgänger und Einzelkämpfer und will in Ruhe gelassen werden. Doch da passiert bereits das nächste Unvorhergesehene. Die beiden finden ein Menschenbaby, das die Mutter im letzten Augenblick vor angreifenden Säbelzahntigern gerettet hat.

 

Was sollen sie nun tun? Das hilflose Geschöpf liegen lassen? Einfach vorbeigehen und weiterziehen? Oder helfen?

 

Nach großen Bedenken und Zögern entschließen sie sich, das Baby zu den Menschen zurückzubringen. Damit beginnt ihre abenteuerliche Reise. Beim Aufbruch taucht plötzlich einer der Säbelzahntiger auf, der den Auftrag hat, das entwischte Baby dem Rudelführer zum Verzehr zurückzubringen. Er verstellt sich geschickt und bietet sich als Fährtenleser an. So erschleicht er sich das Vertrauen der beiden mit dem Ziel, sie in einen Hinterhalt zu führen.

 

Doch alles kommt ganz anders als geplant. Es beginnt ein Wandlungsprozess.

 

Das miteinander unterwegs sein verändert alle drei. Sie lernen voneinander. Sie fangen an, einander zu verstehen. Sie fangen an, einander zu mögen und einander zu vertrauen. Besonders auch deshalb, weil einer auf den andern aufpasst und das Mammut sogar unter Einsatz seines Lebens, den Säbelzahntiger vor dem sicheren Tod rettet. Das besonders Berührende in dieser Geschichte ist, wie sich Misstrauen, Vorurteile und Vorbehalte Schritt für Schritt verwandeln und letztendlich daraus Freundschaft wächst. Das gemeinsame Gehen bringt sie zusammen.

 

"Und wenn dich jemand nötigt eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei", sagt Jesus in der Bergpredigt. Jesus redet von der Feindesliebe und zeigt hier für mich einen neuen Weg auf. Wir sollen nicht immer Gleiches mit Gleichem vergelten, nicht Misstrauen mit noch größerem Misstrauen beantworten, sondern diese tödliche Spirale aufbrechen indem wir auf den andern zugehen und uns mit ihm gemeinsam auf den Weg machen. Sich Zeit nehmen, sich an den Verhandlungstisch setzen. Mit dem andern, mit dem Feind nicht nur eine Meile gehen, sondern zwei. Das heißt doch, sich die Mühe zu machen, die andere Seite kennen zu lernen, zu verstehen und so Vorurteile und Misstrauen abzubauen.

 

Es wäre ein Wunder, wenn in Palästina aus Hass, Terror und Gewalt, wenn aus Feindschaft endlich Freundschaft werden könnte. Es wäre wunderbar wenn der festgefrorene Friedensprozess wieder in Gang käme. Es wäre schön, wenn das Eis feindseliger Beziehungen, die es ja auch unter uns immer wieder gibt zum Schmelzen kämen, wenn wir es wagen, dem Weg Jesu zu folgen und uns füreinander erwärmen.