Das Evangelische Wort

Sonntag, 09. 06. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

von Pfarrer Dr. Christoph Weist

 

Erst dieser Tage hat er es wieder gesagt im Brustton voller Überzeugung, mein Freund, der alles gern und dynamisch in Angriff nimmt: „Das machen wir schon. Kein Problem. "Dass dann die Veranstaltung, die er organisieren sollte, nicht gescheitert ist, war anderen Menschen zu verdanken. Jenen, die den Saal auf- und zugeschlossen, die Brötchen gekauft, Getränke bereitgestellt, den Tisch für die Podiumsdiskussion weiß gedeckt und für eine wirksame Beschaffung des Raumes gesorgt hatten. Mein Freund diskutierte schlagfertig auf dem Podium und nahm bescheiden gerührt den Dank für die hervorragende Organisation des Abends entgegen. Dann plante er in Gesprächen mit einigen "hohen Gästen" am Buffet das nächste Event. Wo, wann und wie das stattfindet? "Das machen wir schon. Kein Problem."

 

Mein Freund sagt das auch in der Familie, etwa bei der Gartenarbeit, wenn die Kinder zu mähen beginnen, die Frau die Hecke schneidet und er den Rechen sucht, aber plötzlich per Handy zu einer Besprechung gerufen wird. Er sagt es auch seinem Buben, wenn in der Schule Schwierigkeiten drohen -und er es dann doch besser findet, wenn die Mama mit dem Klassenvorstand spricht. „Das machen wir schon. Kein Problem.“

 

Natürlich ist das nicht nur bei meinem Freund so. Auch ich und sehr viele andere neigen dazu, sich selbst falsch einzuordnen, verliebt zu sein in die großen Dinge und das Kleine und Hässliche von Tag zu Tag anderen zu überlassen. Das geschieht nicht böswillig, das ist nur die Folge dessen, dass man sich selbst für ziemlich überlegen hält. Viele Menschen neigen dazu. „Das machen wir schon. Kein Problem.“ War auch unter den ersten Christen, rund 30 Jahre nach dem Tod des Jesus von Nazareth, zum Problem geworden.

 

Sonst hätte es ein Mann wie der Apostel Paulus wohl kaum für nötig befunden, in einem Vorstellungsbrief an die Christen von Rom, die er besuchen wollte, zu bitten:

"Trachtet nicht hoch hinaus, sondern lasst euch zu den niedrigen Diensten in Anspruch nehmen“ Führt euch nicht als Leute auf, die sich in ihrer Klugheit selber genügen.“ (Röm 12,16 Übers. Wilckens)

Das mag ein bisschen banal klingen, aber es hat einen tiefen Grund. Die Warnung, sich nicht für etwas Besseres zu halten und die kleinen, aber notwendigen Zusammenhänge des Lebens im Auge zu behalten, ist Teil der "frohen Botschaft." Um die ist es dem Mann aus Tarsus gegangen. Und sie spricht nicht nur von der Freiheit im allgemeinen, dem „Heil" des Menschen, sie spricht auch von der Freiheit des Menschen von sich selbst. Und diese Freiheit besteht unter anderem auch darin, sich selbst nicht an falschen Maßstäben zu messen, denn das geht in aller Regel zu Lasten anderer. Das gilt für jeden einzelnen Menschen, das gilt übrigens auch für so manche Ansprüche der Kirchen in Staat und Gesellschaft.

 

Frei bin ich erst dann, wenn ich bereit bin, kritisch zu sein, kritisch gegenüber mir selbst, gegenüber meiner Klugheit", gegenüber den „hohen Dingen", die ich anstrebe. Und frei bin ich, wenn ich die wahrnehme, die ich unter meinem forschen "Das machen wir schon. Kein Problem“, leiden lasse. So klug, wie ich meine, bin ich nicht, und so wertvoll, dass ich andere für meine Selbstverwirklichungsversuche einspannen dürfte, auch nicht.

 

Das zu wissen, ist keine Selbsterniedrigung. Es ist ein beträchtlicher Fortschritt auf dem Weg zum rechten Leben. Zu dem Leben, für das ich gemacht bin. Danach meine Tage zugestalten, das könnte ich wirklich "machen" und das sollte in der Tat "kein Problem" sein.