Das Evangelische Wort

Sonntag, 16. 06. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

von Pfarrerin Christine Hubka, Wien

 

Szenen einer Ehe aus dem Buch Samuel im AT:

Es tanzten David und ganz Israel vor dem HERRN her mit aller Macht im Reigen, mit Liedern, mit Harfen und Psaltern und Pauken und Schellen und Zimbeln.

Da guckte Michal durchs Fenster und sah den König David springen und tanzen vor dem HERRN und verachtete ihn in ihrem Herzen.

 

Und als David dann nach Hause kommt,

erwartet ihn ein saftiger Ehekrach mit seiner Frau Michal.

„Wie kann ein gläubiger König sich so benehmen,“ ätzt sie.

„Lustig sein, ausgelassen sein,

ist nichts für Leute, die an Gott glauben.“

 

„Lustig sein, ausgelassen sein,

ist nichts für Leute, die an Gott glauben.“

Das ist nicht die einzige Vorstellung über den Glauben

und über Gott, der die Bibel selbst widerspricht.

 

Darum wünsche ich mir,

dass es nicht nur Bücher über den Glauben gibt.

Ich wünsche mir ein Religionsbuch,

wo drinnen steht,

was alles nicht zum Glauben an den biblischen Gott dazu gehört.

So eine Art Katechismus des Unglaubens.

 

Da steht gleich im ersten Kapitel:

Die zehn Gebote sind nicht für Kinder gedacht

sondern für Erwachsene.

 

Nehmen wir zum Beispiel das vierte Gebot:

Du sollst deinen Vater und dein Mutter ehren...

fordert nicht kleine Kinder auf,

brav und folgsam zu sein.

Es verbietet auch nicht Jugendlichen

die Auseinandersetzung mit Eltern und Lehrern.

 

Dieses Gebot gilt den erwachsenen Söhnen und Töchtern greiser Eltern.

Es macht sie verantwortlich für ihre gebrechlichen Eltern.

Es verpflichtet, für das leibliche Wohl der Menschen zu sorgen,

die es selber nicht mehr selber können.

Die Alternative war damals und heute ähnlich:

Damals hat man sie einfach in der Steppe allein sitzen lassen,

wenn der Stamm weiter gezogen ist.

Man hat sich das Mitschleppen unnützer Esser erspart.

Den Rest haben die wilden Tiere erledigt.

 

Damals wie heute hat man argumentiert,

dass das doch für alle das beste sei.

Dieses Gebot setzt jedem Gedanken an Euthanasie eine klar Grenze.

Und über Euthanasie denken bekanntlich nur Erwachsene nach.

 

Gleich im zweiten Kapitel meines Katechismus des Unglaubens

Wäre zu lesen,

dass es gar nicht so besonders christlich ist,

jeden Streit zu vermeiden.

Von Jesus selbst ist ein heftiger Streit

mit einem seiner besten Freunde überliefert:

Als Petrus ihn besorgt beschwört,

sich doch nicht in die Nähe von Jerusalem zu begeben,

weil dort doch die Mächtigen sind,

die nur drauf warten,

dass sie ihn umbringen können,

fährt Jesus ihn bitterböse an.

 

Und mit seinen Gegnern geht er auch nicht zimperlich um.

Die nennt er: Schlangenbrut und Otterngezücht.

 

Aber bis heute hält sich hartnäckig die Meinung,

dass Auseinandersetzungen und Streit Christen verboten ist.

 

Damit sind wir schon im dritten Kapitel

Meines Katechismus des Unglaubens.

Dieses Kapitel handelt von den Menschen,

von denen die Bibel erzählt:

 

Keiner der Glaubenden lebt ohne Schuld.

Abraham gibt seine Frau als seine Schwester aus.

Er verheiratet sie mit dem Pharao

und kassiert den hohen Preis, der zu so einer Transaktion gehört.

Betrug nennt man das heute.

Als das auffliegt,

nimmt er seine Frau und das ganz Geld mit.

Der weise König Salomo findet nichts dabei,

heidnische Tempel zu gründen.

Und Der König David begeht Ehebruch.

 

Die Bibel selbst,

räumt auf mit dem Glauben,

dass irgend ein Mensch ohne Schuld und ohne Scheitern leben kann.

Weil sich aber das Gerücht hartnäckig hält,

dass Glaubende doch bessere Menschen sein sollten,

darum möchte ich einen Katechismus des Unglaubens schreiben.

 

Wenn es den zur Zeit des Königs David schon gegeben hätte,

hätten er und seine Frau Michal

sich vielleicht einen handfesten Ehekrach erspart.