Das Evangelische Wort

Sonntag, 14. 07. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr,

 

 

Bernd Hof, 
Krankenhauspfarrer aus Innsbruck

 

Vor zwei Wochen haben sich auf einem Donauschiff irgendwo zwischen Bayern und Oberösterreich sieben römisch-katholische Frauen von einem argentinischen angeblichen Bischof zu Priesterinnen weihen lassen.

 

Diese Frauen sagen: Wir sind jetzt katholische Priesterinnen, und haben die Fähigkeiten, die nur Priester haben: Wenn wir die Messe feiern und die Einsetzungsworte sprechen, dann verwandeln sich die Hostien in den Leib Christi und der Wein in sein Blut. Wenn wir die Beichte abnehmen und jemand lossprechen, dann sind ihm die Sünden vergeben. Und wenn wir Kranke salben, dann ist das ein Sakrament. Denn wir sind jetzt geweihte Priesterinnen, wir sind also Mittler zwischen Gott und den Menschen und können tun, was nur Priester tun können. 

 

Die Autoritäten der römisch-katholischen Kirche dagegen sagen: Diese angebliche Weihe auf dem Donauschiff war keine Priesterweihe, denn nur ein Mann kann Priester sein. Diese Frauen sind ungeweihte Menschen wie vorher, sie können nicht wandeln, nicht vergeben, nicht die Krankensalbung spenden. Sie haben sich selbst damit aus der Kirche entfernt.

 

In diesen Tagen bin ich öfters gefragt worden: und was sagt die evangelische Kirche dazu? 

Nun, es gibt keine offizielle evangelische Stellungnahme zur Priesterinnenweihe, und das finde ich gut. Denn der ganze Vorgang ist eine Angelegenheit der römisch-katholischen Kirche.

Möglicherweise wird aus ihm auf die Dauer eine neue Freikirche hervorgehen, wer weiß. Aber uns Evangelische betrifft das zunächst nicht.

 

Dann sollten wir Evangelische meines Erachtens den Mund nicht zu voll nehmen in der Frage der weiblichen Amtsträger, oder der Frauenordination, wie die Theologen sagen. Denn so lange gibt`s diese Errungenschaft bei uns noch gar nicht: Erst seit gut 30 Jahren werden in der Evangelischen Kirche in Österreich Frauen offiziell zum geistlichen Amt zugelassen, und erst seit 1980 sind sie uns Männern gleichberechtigt. Bis dahin war diese Frage auch in den evangelischen Kirchen höchst umstritten.

 

Grundsätzlich verstehen wir Evangelische ja das geistliche Amt ganz anders als die Katholiken: Wir haben keine Priester. Wir glauben, dass Jesus jede und jeden von uns Gott nahe gebracht hat. Darum brauchen wir keinen Mittler mehr zwischen Gott und den Menschen. Denn im 1. Petrusbrief wird allen Christen gesagt:

„Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft; das heilige Volk, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ (1 Petr 2,9)

 

Diese biblische Lehre vom Priestertum aller Gläubigen bedeutet:

Jede getaufte Christin, jeder getaufte Christ ist von Gott berufen, mit seinen jeweiligen Gaben Gott und den Mitmenschen zu dienen. Martin Luther hat daraus geschlossen: „Was aus der Tauf krochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon Priester, Bischof, Papst geweiht sei" und hat alle kirchlichen Weihen abgelehnt.

 

Jeder Christ ist Priester, jede Christin ist Priesterin, ist berufen zum Dienst an Gott und dem Nächsten. Dieser Dienst wird bei jedem anders aussehen, aber jeder ist berufen auch zum Dienst der Verkündigung des Evangeliums. Das scheint mir in unserer Zeit besonders wichtig. Denn wer kümmert sich in unserer Gesellschaft noch um das, was die Kirchen sagen? Interessant sind die Skandale, aber sonst? Wer hört denn noch den Äußerungen der kirchlichen Amtsträger zu am Sonntag oder gar unter der Woche? Umso mehr ist das christliche Wort, die christliche Tat im täglichen Leben gefragt – eben die alltägliche Verkündigung. Denn uns allen gilt:

„Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft; das heilige Volk, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“

 

Weil uns also Gottes Liebe wohl tut, darum können auch wir hie und da zu Wohltätern werden.

 

Weil es in uns heller geworden ist durch das Evangelium, darum kann und soll es durch uns heller werden in der Welt.

 

Weil Gott uns angesprochen hat, darum brauchen wir nicht zu schweigen.

 

Gott sei Dank.