Das Evangelische Wort
Sonntag, 28. 07. 2002, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr,
von
Superintendent i.R. Mag. Hellmut Santer
Der Apostel Paulus schreibt an die
Gemeinde in Rom (Kapitel 8, Verse 38 – 39):
„Ich bin gewiss, dass weder Tod
noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges
noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere
Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus
Jesus ist, unserem Herrn.“
„Schicksalstag“, so heißt eine
neue Sendereihe im Österreichischen Fernsehen. Menschen berichten
von Ereignissen, die ihr Leben verändert haben. Man nimmt daran
teil, wie sie mit Gegebenheiten oder besonderen Schicksalsschlägen
umgegangen sind oder damit fertig werden. Und das nicht nur aus
Neugier. „Schicksalsstunden“, „Schicksalstage“ hat jeder von
uns in irgendeiner Form erlebt. Ich denke an Stationen meines Lebens
und frage mich: „Was wäre wenn...?“ – wenn ich mich damals
anders entschieden hätte, wenn es anders gekommen wäre, wenn,
wenn...? Mein Leben wäre sicher anders verlaufen, aber wäre es
dann mein Leben geworden?
„Ich bin gewiss, dass mich nichts von
der Liebe Gottes scheiden kann, ... kein Schicksalstag und kein
Schicksalsschlag“, sagt der Apostel, der selber von einem solchen
„Schicksalstag“ weiß, an dem er vom Saulus zum Paulus wurde und
seine Bekehrung zu Jesus Christus erlebt hat. Das scheint ein
gewagtes Wort und ich weiß nicht, ob das so einfach auszusprechen
ist angesichts menschlicher Tragödien, angesichts der Kinder und
Menschen, die an Leib und Seele hungern und verhungern, angesichts
der Menschen mit unheilbarer Krankheit, der Menschen, die ihren
Arbeitsplatz verloren haben, wie jetzt bei Semperit in Traiskirchen,
und angesichts der Opfer von Katastrophen, wie in Kaprun oder beim
Zusammenstoß der Flugzeuge über dem Bodensee.
Paulus kennt die Tiefen menschlichen
Lebens, er kennt Krankheit, Gefängnis und Folter. Aber er weiß
auch, dass nicht ein blindes Schicksal uns bestimmt. Auch wenn wir
auf die Frage nach dem „Warum?“ jetzt noch keine Antwort finden,
er weiß, dass Gott uns nicht los lässt, dass er „Gedanken des
Friedens und nicht des Leides“ über uns hat. Dass er bei uns ist
alle Tage – und auch alle „Nächte“ unseres Lebens, in denen
wir nicht mehr ein und aus wissen und der Verzweiflung nahe sind.
Wie viel wir ihm bedeuten, hat er uns in Jesus Christus gezeigt.
Seine Liebe kann durch nichts und niemanden rückgängig gemacht
werden. Darauf können wir uns verlassen.
Mich hat sehr beeindruckt, wie bei der
Fußballweltmeisterschaft brasilianische Fußballer nach dem
entscheidenden Spiel gegen Deutschland sich auf den Rasen gekniet
und gebetet haben. „Ich gehöre Jesus“, stand auf der
Vorderseite eines Leibchens. Die meisten von ihnen sind in
unvorstellbarer Armut in den Slums der Großstädte aufgewachsen.
Rivaldo, der Superstar, war selber
unterernährt und musste an Stelle des verunglückten Vaters für
seine Mutter und elf Geschwister sorgen, von denen trotzdem acht an
Hunger gestorben sind. Jetzt hilft er mit seinem Geld den Menschen
in Hunger und Armut. „Ich kann nicht vergessen“, sagt er. „Ich
weiß, was Armut und Hunger bedeuten. Aber sie dürfen nicht
Schicksal bleiben. Ich will helfen.“
Und Ronaldo setzt sich als
Sonderbotschafter der UNO dafür ein. „Jedes Tor, das ich schieße“,
sagt er, „ist eine Botschaft an die Armen dieser Welt: Wir haben
Euch nicht vergessen“.
Diese Stars haben ihr „Schicksal“
gemeistert und haben die Signale Gottes verstanden. Denn Schicksale
sind auch Herausforderung. Sie fordern heraus zu helfen, zu trösten,
beizustehen, Not zu lindern, Unerträgliches erträglich zu machen,
solidarisch zu sein. Jeder einzelne von uns kann im Rahmen seiner Möglichkeiten
helfen, dass Menschen spüren: Gott lässt uns nicht allein.
„Nichts, kein ‚Schicksal’ dieser Welt, kann uns scheiden von
der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“
|