Das Evangelische Wort

Sonntag, 15. 09. 2002,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

Mag. Renate Rampler

 

Kannst du dich noch erinnern? Das ist die Standartfrage, wenn man nach langer Zeit Freunde wiedertrifft und einen Abend, vielleicht auch eine Nacht Zeit zum Reden hat.

 

Kannst du dich noch erinnern?

 

Dabei ist es seltsam, dass man sich besser an die unangenehmen Dinge erinnert. Strafen oder Unfälle, Blamagen oder auch Katastrophen bleiben viel länger im Gedächtnis haften als die schönen Momente im Leben. Was wir an Negativem erlebt haben, sagen die Psychologen, das beeinflusst unser Denken und Fühlen nachhaltiger als das was uns gelungen und geglückt ist.

 

So gesehen erscheint dann die Vergangenheit manchmal als eine Aneinanderreihung von dunklen Stunden. Und weil sich diese Schatten bis in die Zukunft hinein auswirken, ist auch der Blick nach vorne nicht immer ungetrübt.

 

Angst schleicht sich ein. Angst, dass sich Schlimmes aus der Vergangenheit wiederholen könnte. Angst, dass die Probleme wachsen und die Kraft nicht reicht. Angst, dass “nix besseres nachkommt“ und auch die Zukunft dunkel, düster und bedrohlich wird. Angst ist ein Gefühl, dass unsere Zeit beherrscht. Die Angst vor Terroranschlägen, Krieg oder politischer Unsicherheit genauso wie die Angst, im privaten oder beruflichen Leben zu versagen.

 

Aber die Angst ist keine Erfindung unserer Zeit. Die Angst vor der Zukunft hat auch schon die Jünger Jesu geplagt. Er hat versucht sie aufzubauen, zu trösten, ihnen Mut zu machen. Im Johannesevangelium sagt Jesus einmal abschließend zu seinen Freunden: “Ich habe so mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh. 16,33)

 

Frieden verspricht Jesus. Einen Frieden, der sich nicht an diesem Leben und an den täglichen Sorgen vorbeischummelt. Einen Frieden, der die Angst nicht verniedlicht oder schönredet. “In der Welt habt ihr Angst.“ Das wird festgestellt. Es ist so. Wer an Jesus glaubt, der wird dadurch weder unverwundbar noch unberührbar; Im Gegenteil. “In der Welt habt ihr Angst.“ Und gerade Christen wissen sich dieser Welt verbunden. Aber als Christin weiß ich auch, dass diese Angst mich nicht zu fesseln braucht. Immer noch bleibt mir der Trost und der Zuspruch Jesu im Ohr: “Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

 

Nicht die Angst hat Jesus überwunden. Er selbst ist durch die Angst, durch Todesangst hindurchgegangen. Darum stehe ich auch mit meiner Angst nicht alleine da. Jesu Wort von der Überwindung öffnet für mich einen neuen Weg mit meiner Angst fertig zu werden. Es zeigt mir die Welt in einem anderen Licht. Im Licht der Hoffnung auf Gott, der diese Welt nicht loslässt. In diesem Licht können auch die dunklen Stunden in meinem Leben, in meiner Erinnerung ihre Schrecken verlieren. In diesem Licht bekommt auch die Angst vor der Zukunft ein anderes Gewicht. Ich spüre, dass ich ruhiger werde, gelassener, und meine Kraft nicht nur dafür aufbringen muss, die Angst im Zaum zu halten. Ich kann meine Kraft einsetzten, um positiv und aktiv mein Leben und diese Welt zu gestalten. Ich kann daran arbeiten, dass der Friede möglich wird, von dem Jesus gesprochen hat: “Ich habe so mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“