Das Evangelische Wort

Sonntag, 19. 01. 2003,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Pfarrer Peter Pröglhöf (Salzburg)

 

Vor ein paar Tagen habe ich in einer U - Bahnstation ein Flugblatt in die Hand gedrückt bekommen. Darin versucht eine religiöse Gemeinschaft nachzuweisen, dass die Christen auf der ganzen Welt eine schwere Sünde begehen, weil sie nicht mehr den Sabbat als Feiertag einhalten, sondern den Sonntag. Wenn’s nach diesem Flugblatt geht, ist der Sonntag nur der heidnische Feiertag des Sonnengottes, den der Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert zum christlichen Feiertag gemacht hat. Dass der Sonntag auch der Tag ist, an dem Jesus von den Toten auferstanden ist und der deshalb schon im Urchristentum der Herrentag genannt wurde, an dem sich die Christen versammelt haben, um die Auferstehung ihres Herrn zu feiern, das erwähnt das Flugblatt nicht. Dafür werden ziemlich abstrus Zitate aus der Offenbarung des Johannes aneinandergereiht, die belegen sollen, mit welchen Strafen diejenigen zu rechnen haben, die den Sonntag als christlichen Feiertag begehen.

 

Schade, habe ich mir gedacht. Schade, dass offenbar die Methode: “Schaut nur her, was die Kirche von Anfang an alles an Fälschungen begangen hat”, eine erfolgversprechende Missionsstrategie ist. Ich glaube, dass diese Methode dann keinen Erfolg haben wird, wenn Christen und Christinnen besser Bescheid wissen über ihren Glauben und seine jüdischen Wurzeln. Dann kann man ihnen nicht alles Mögliche einreden und dann werden sie auf die beliebte Effekthascherei mit solchen Vorurteilen nicht hereinfallen.

 

Eine Gelegenheit, sich mit dem christlichen Glauben und seinen jüdischen Wurzeln zu beschäftigen, hat vorgestern, am 17. Jänner, der “Tag des Judentums” in den christlichen Kirchen geboten. Der ökumenische Rat der Kirchen in Österreich hat diesen “Tag des Judentums” für die christlichen Kirchen beschlossen. In diesem Jahr wurde er zum vierten Mal begangen. Er liegt unmittelbar vor dem Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen. So erinnert uns der “Tag des Judentums” daran, dass vor aller Verschiedenheit der Kirchen untereinander, das allen gemeinsame Fundament steht: Unsere Verwurzelung im Judentum. Alle Gemeinden waren eingeladen, Gottesdienste zu feiern, die helfen, den spirituellen und theologischen Reichtum des Volkes Israel zu entdecken.

 

Zu diesem Reichtum gehört der Sabbat. Begründet ist er in den 10 Geboten. Im 2. Buch Mose im 20. Kapitel lesen wir: “Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“

 

Im Feiern des Sabbats sind alle Juden auf der ganzen Welt mit einander verbunden, wo auch immer sie leben. Es ist ihr Feiertag. Ein Feiertag freilich, in dem sich eine tiefe, die ganze Welt umspannende Weisheit ausdrückt: Es gibt einen Rhythmus des Lebens, wie Einatmen und Ausatmen, einen Rhythmus von Arbeit und Ruhe, der der Schöpfung von Anfang an innewohnt. Wir leben im Einklang mit uns selbst und mit der ganzen Schöpfung, wenn wir uns auf diesen Rhythmus des Lebens einlassen. Und für uns Christen ist das der Sonntag. Und damit kehrt sich der Rhythmus auch um: Wir sind zuerst am Ruhen, am Feiern, am ersten Tag der Woche, am Sonntag: Weil wir durch Jesus zuerst Beschenkte sind, beschenkt mit einem Leben, das diesen Namen verdient. Und dann antworten wir, tragen dieses Geschenk hinein in unsere Welt, in unsere Arbeit.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag, in den etwas von der Freude unserer jüdischen Schwestern und Brüder am Sabbat ausstrahlt.