Das Evangelische WortSonntag, 02. 02. 2003, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Pfarrer Michael Chalupka (Wien) „Salomon aber hatte den Herrn lieb und wandelte nach den Satzungen seines Vaters David... und der König ging hin nach Gibeon, um dort zu opfern; denn das war die bedeutendste Höhe.“ (Könige 3, Verse 3+4) Für
König Salomon war es mühsam mit seinem Gott zu sprechen, hinauf
auf die Höhen begab er sich, um Kontakt aufzunehmen, um zu Gott zu
beten. Wir
haben es heute leichter. Es genügt ein Klick. Heute betet man übers
Internet, so ist der New York Times zu entnehmen. Die
Missionsstation San Xavier del Bac in Arizona, mitten in einem
Indianerreservat gelegen, hat eine Homepage eingerichtet, über die
man seine Gebetsanliegen direkt an die hölzerne Statue des Heiligen
Franz Xaver senden kann, es genügt ein E-Mail und ein kurzer Klick
mit der Maustaste auf das Feld „senden“. Schon ist es dort,
weltweit. Im
Internet gibt es virtuelle Gebetszirkel, Anleitungen zum Beten, unzählige
Bitten, für ein bestimmtes Anliegen zu bitten, aber die direkte Möglichkeit
einen Heiligen um Fürsprache zu bitten ist eine neue Erfindung des
Franziskanerpaters David Gaa aus dem Tohono O´odham Reservat.
„Unsere Idee ist es, von überall her auf der Welt mit Gott
Kontakt aufnehmen zu können“, so Pater Gaa. Von überall, aber um
genau zu sein, um zwei Ecken herum. Kein direkter Kontakt mit dem
lieben Gott, sondern zuerst übers Netz und dann noch über den
Heiligen, der das Anliegen dann Gott präsentiert. Natürlich
könnte man überall, jederzeit an jedem Ort zu Gott beten, sei es
ein Stoßgebet zum Himmel oder ein Gespräch, in meditativer
Versunkenheit. Doch auch König Salomon ein mutiger und weiser Mann,
hat sich nicht einfach auf seinem Thron zurückgelehnt, die Augen
geschlossen und mit Gott verhandelt. Er ist auf den Berg gestiegen,
an einen Heiligen Ort, näher zu Gott hinauf, um dort zu opfern, die
Gerüche des Feuers, der Heiligen Haine aufzunehmen und in der Nacht
im einsamen, intimen Zwiegespräch seinen Herrn um Rat zu fragen. Sich
das Internet als heiligen Hain vorzustellen bereitet Mühe, aber
beiden gemeinsam, dem König Salomon und dem Beter an den Heiligen
Franz Xaver in Tucson, Arizona, ist die große, heilige Scheu mit
dem Allmächtigen, dem großen Gott in Kontakt zu treten. Braucht
Salomo die Heilige Stätte, so braucht der Surfer im Netz die
Distanz, die doppelte Distanz übers Netz und über die Fürsprache
des Heiligen. Die
Gebetsanliegen per E-Mail werden übrigens in einer sehr herkömmlichen
Weise zum Heiligen gebracht. Sie werden ausgedruckt und die Zettel
werden dann an der hölzernen Statue mit einer Stecknadel angepinnt.
Dort haben sie eine Woche Zeit erhört zu werden, denn dann muss die
Statue wieder abgeräumt werden, um den neuen Gebeten Platz zu
machen. Das
World Wide Web ist übrigens allen Religionen offen. Dort findet
sich der virtuelle Hindutempel, mit dreidimensionalen Grafiken der
verschiedenen Gottheiten, mit downloadbarer Meditationsmusik und Gesängen
zum einstimmen, ebenso wie die Möglichkeit E-Mails an die Westmauer
des Tempels in Jerusalem zu schicken, die dann vor Ort in die Ritzen
des Mauerwerks geschoben werden. Gott
braucht das alles nicht. Er hat uns eingeladen zu ihm „Vater“ zu
sagen. Er erhört unser Gebet an jedem Ort. Seine Wege sind nicht
unergründlich. Aber
des Menschen Wege sind unergründlich und vielfältig. Wir brauchen
das. Die Heiligen Städten, die Zettelchen, die Gerüche die Musik.
Wir sind nicht einfach, wir sind kompliziert, sind scheu und
unsicher. Und brauchen so manche Krücke um durch das Leben zu
gehen, so sind wir geschaffen. Wenn die Krücke das E-Mail zu Franz
Xaver vom Indianerreservat ist, so ist das recht. Denn unser Vater
im Himmel ist grundgütig und langmütig. Amüsiert sieht er uns zu
bei unseren Bemühungen und verkneift sich so manches Lächeln, auch
wenn er sagen möchte: „Mein Lieber ich habe Dich schon gehört,
habe keine Scheu, hab Vertrauen.“ Aber er tut’s nicht, denn er
nimmt uns auch ernst.
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