Das Evangelische WortSonntag, 09. 02. 2003, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
Oberkirchenrat
Dr. Michael Bünker (Wien) Im dreizehnten Kapitel des ersten Korintherbriefes schreibt Paulus: Die
Liebe freut sich nicht an der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber
an der Wahrheit!“ (1. Kor 13, 6). Kommenden Freitag ist es wieder so weit: Valentinstag. Sag es durch die
Blume! Selbst uncharmante Muffel lernen die Sprache der Blumen.
Vom
heiligen Valentin, einem römischen Märtyrer aus dem 3.
Jahrhundert, wird berichtet, dass er als Missionar tätig war und
seine Botschaft von Jesus Christus nicht nur mit Taten der Liebe
glaubwürdig machte, sondern mit Blumen und Blüten sichtbar machte.
Ich
glaube, dass sich gerade die Botschaft des liebenden Gottes, das
Evangelium, besonders gut eignet, in die Sprache der Blumen übersetzt
zu werden. Zu Weihnachten das Blümelein, das mitten im Winter, in
Finsternis und Kälte, blüht, dann die Passionsblume, die durch die
Stärke der Liebe selbst dem Tod trotzt und die Pfingstrose, die das
Feuer des Geistes und das Rot des Herzblutes erahnen lässt – all
das sind Blumenzeichen, Blumenbotschaften christlichen Glaubens.
Wegen
der Blumen wurde Valentin zum Patron der Liebenden. Liebende sagen
es gerne durch die Blume.
Im
18. Jahrhundert kam die Sitte auf, durch die Blume zu sprechen.
Jeder Blüte wurde eine bestimmte verschlüsselte Bedeutung
zugeschrieben und so konnten zwei Menschen miteinander Botschaften
austauschen ganz „durch die Blume“. Diese Blumensprache wurde
auch schriftlich festgehalten, zuletzt im Jahr 1899 von einem Herrn
Gessmann.
Da
bedeutet zum Beispiel die gelbe Narzisse: „Dein kokettes Wesen
gleicht dieser schwärmerischen Blüte“ – oder die Tulpe: „Du
stumme Prachtgestalt! Wo ist dein inn’rer Wert?“ Zwiebel: „Du
bist mir zuwider!“ Lavendel: „Du sprichst rätselhaft!“
Himmelschlüssel: „Der Schlüssel zu meinem Himmel liegt in deinem
Herzen!“ Und meine Lieblingsblume Amaryllis sagt: „Ich achte
dich aus tiefster Seele!“
Sag’s
durch die Blume, denn: die Blumen reden von der Liebe. Ich schlage
eine Brücke von uns nach Kolumbien, vom heiligen Valentin, dem
Missionar, zu Olga Ortiz, der Gewerkschafterin. Die Blumen, die am
14. Februar bei uns gekauft und verschenkt werden, kommen zumeist
aus Kolumbien. Sie werden dort überwiegend von Frauen produziert.
Ihre Arbeitsbedingungen schreien zum Himmel. Die Sprache dieser
Blumen spricht nicht von der Liebe.
Die Rosen erzählen von den Minilöhnen, die bei weitem nicht ausreichen,
um den Hunger zu stillen. Die Nelken reden vom massiven und rücksichtslosen
Einsatz von Pestiziden, der die Gesundheit der Blumenarbeiterinnen
ruiniert; Die Gerbera berichten von der gnadenlosen Verfolgung
aller, die sich für ihre Rechte einsetzen und gewerkschaftlich
organisieren. In Kolumbien wurden hunderte GewerkschafterInnen
ermordet. Und die Narzissen erzählen von den befristeten
Arbeitsverhältnissen und den überlangen Arbeitszeiten.
Sag’s durch die Blume, an den Blumen klebt Blut, sie sind Ausdruck der
Ungerechtigkeit globaler Handelsbeziehungen. Davon erzählt Olga
Ortiz aus Kolumbien. Sie betreibt in der Nähe von Bogota ein „Proyecto
Flores“, ein Blumenprojekt, das die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen der Blumenarbeiterinnen zum Ziel hat.
Durch das Engagement von verschiedenen NGO’s wurde nun ein Gütezeichen
für Blumenfarmen eingeführt. Es garantiert, dass gewisse Standards
bei der Produktion von Schnittblumen eingehalten werden: ein
existenzsichernder Lohn, die Beachtung des Umweltschutzes,
Gewerkschaftsfreiheit, das Verbot von Kinderarbeit, eine geregelte
Arbeitszeit.
In der evangelischen Kirche wird diese Blumenkampagne durch die Aktion
„Brot für Hungernde“ betrieben, dort gibt es auch die Liste der
Blumenhandlungen, die fair produzierte und fair gehandelte Blumen
anbieten.
Damit
sich die Liebe, welche die Blumen ausdrücken, an der Gerechtigkeit
freuen kann.
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