Das Evangelische Wort

Sonntag, 16. 2. 2003,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Pfarrer Frank Lissy-Honegger (Graz)

 

Seid nett zueinander – so heißt nicht der schlechteste aller Slogans. Er wirbt um Freundlichkeit und Toleranz im Umgang miteinander. Er will ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, zumindest ein nachsichtiges. Doch manchmal muss er scheitern an seiner Unverbindlichkeit und Unentschiedenheit, an seiner mangelnden Stellungnahme.

 

Weltpolitisch sind wir nämlich in einer Lage, wo wir um den klaren Blick kämpfen müssen.

Fundamentalistische Einteilung der Menschheit in Gute und Böse wird suggeriert. Wir müssen uns darum bemühen, uns weder von Macht, noch von Ohnmacht blind und dumm machen zu lassen.

 

Ich verstehe, dass viele Menschen in den USA und gerade auch politisch Verantwortliche nach dem 11. September in einem Gefühl der Bedrohung und Unsicherheit leben. Aber es gibt klügere und einsichtigere Wege, damit umzugehen, als zum Krieg zu rüsten. Natürlich: Hassen zu können, einen ganz klar zu benennenden Feind zu haben, das kann eine gewisse Erleichterung bringen: Die Unsicherheit verschwindet, das Gefühl eigener Bedrohung wird niedergekämpft und nach außen gelenkt. Dann ist das Böse draußen, bei einem anderen. In ihm kann ich meine eigene Schwäche bekämpfen. - Machen wir uns nicht dumm, schauen wir genau: Wie kann ich meine Feinde erkennen – und wen richte ich mir so zurecht, dass er auf mein Feindbild passt? Wer ist mein Feind – und wo bin ich mein eigener Feind?

 

Wir hören: Der Achse des Bösen muss man sich entgegenstellen. Und: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Das klingt gut biblisch, hat aber nichts mit ihr zu tun, ist missbräuchlich- fundamentalistische Verwendung. Es wäre so einfach, könnte man eine Bank der Bösen und eine der Guten aufstellen. Aber Judas, der Jesus verriet, war einer der Zwölf, einer seines engsten Kreises. Und die anderen? Die Jünger fliehen, Petrus sagt sich los. Die Bibel rechnet damit, dass wir zu vielem fähig sind und Gott lässt seine Sonne aufgehen über Gerechte und Ungerechte. Wer darf die Welt aufteilen in Gut und Böse. So einfach. So brutal einfach. Dann kann man den Feind und die Schwäche in sich selbst niederkämpfen. Gewalt ist immer das Problem, als dessen Lösung sie sich ausgibt. So einfach. In der Jagd nach Frieden – wird Krieg gemacht. Der Gegensatz zu Komplexität ist aggressive Vereinfachung, nicht schlechthin Einfachheit. Der Preis für fundamentalistische Vereinfachung ist Gewalt.

Ich lese den Text „Maßnahmen“ von Erich Fried:

 

Die Faulen werden geschlachtet

Die Welt wird fleißig

 

Die Hässlichen werden geschlachtet

Die Welt wird schön

 

Die Kranken werden geschlachtet

Die Welt wird gesund

 

Die Traurigen werden geschlachtet

Die Welt wird lustig

 

Die Alten werden geschlachtet

Die Welt wird jung

 

Die Feinde werden geschlachtet

Die Welt wird freundlich

 

Die Bösen werden geschlachtet

Die Welt wird gut

 

Ich bin froh, dass sich ein großer Teil der Kirchen, gerade auch eine überwältigende Zahl amerikanischer Kirchen, gegen den drohenden Krieg ausgesprochen hat. Sie haben sich damit nicht für Saddam Hussein und sein Regime ausgesprochen, sondern für die Suche nach friedlichen Konfliktlösungen. Krieg ist für sie kein akzeptables Mittel der Außenpolitik. Sie setzen sich für eine geduldige Friedenspolitik ein, die die Würde und Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen ernst nimmt. Es muss mehr geben als die Alternative zwischen     Saddam Hussein und Cruise Missiles. Lassen wir uns den Blick nicht nehmen auf die Menschen im Irak, der chaldäische Bischof von Basra war Ende Jänner in Wien und hat von ihnen erzählt. Lassen wir uns weder von Macht noch vom Gefühl eigener Unsicherheit oder Hilflosigkeit klaren Blick und kluge Menschlichkeit nehmen.

 

Eines ist für mich nämlich sehr einsichtig: Im Kampf werden wir unseren Feinden immer ähnlicher.