Das Evangelische Wort

Sonntag, 30. 03. 2003,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Superintendent Paul Weiland (St. Pölten)

 

Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. (Johannes 14/27)

 

Wir schlafen ein mit Bildern vom Krieg und wir wachen auf mit Bildern vom Krieg. Jetzt sogar live dabei, ohne deshalb irgendetwas besser verstehen und einordnen zu können. Sieht er so aus, der Frieden, den Jesus uns lässt? Offensichtlich.

 

Frieden hin und Frieden her - was hat es überhaupt für einen Sinn vom Frieden zu reden, angesichts der Bomben, der Gewalt und des Terrors in der Welt? Eigentlich müsste es heißen: Euer Herz erschrecke und fürchte sich sehr.

 

Erschrecken und Furcht, das ist die angemessene Reaktion in einer Welt, in der der Stärkere Recht hat. In der Frieden gesucht wird mit dem Einsatz der Waffen. In der Freiheit mit Unterdrückung anfängt. In der Profitgier und Habsucht mit der Macht der Herrschenden gestützt wird.

 

Von alledem ist keine Person, keine Institution und kein Staat ausgenommen. Offensichtlich sind das die Regeln, wie es in unserer Welt zugeht. Und selbst wenn bei ganz großen Ereignissen, wie jetzt beim Krieg im Irak, wo über viele Wochen - als sich die Entwicklung hin zum Krieg immer mehr und mehr abgezeichnet hat - noch tausende Menschen gedacht haben, das könne doch nicht passieren, dann gewinnt das alles - je länger der Krieg andauert, desto mehr - die Qualität des Alltäglichen.

 

Euer Herz erschrecke und fürchte sich sehr.

Das Wort aus dem Johannesevangelium „den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“, das habe ich nie so richtig verstanden. Jetzt, glaube ich, dem Sinn dieses Wortes auf der Spur zu sein.

 

Es geht in der Tat um das Gute und um das Böse in der Welt. Nur, dass die Trennlinie nicht so verläuft wie sich das mancher vorstellt, sondern viel stärker ineinander übergeht und vermischt ist. Da kann auch das Gute, das jemand will, Böses zur Folge haben, und auch umgekehrt. Und alle unsere Bemühungen sind gekennzeichnet von Halbheit, Bruchstückhaftigkeit und Unvollkommenheit.

 

Der Krieg, den wir jetzt erleben sowieso, ab er auch der Frieden, der kommen wird, und der aufbaut auf dem Leid und der Ungerechtigkeit für so viele Menschen. Und davor war es nicht anders: auch dieser Krieg geht auf ähnliche Erfahrungen zurück. „Den Frieden lasse ich euch“, das ist gleichsam ein Hinweis auf die Zerbrechlichkeit allen menschlichen Bemühens um einen Frieden und ein gerechtes Zusammenleben. Auf die Vorläufigkeit aller unserer Vereinbarungen und Abkommen. Auf die Unsicherheit der Systeme der Gewalt und der Abschreckung.

 

„Meinen Frieden gebe ich euch“, damit sagt Jesus, dass sein Friede ein anderer ist, ein qualitativ anderer. Ein anderer, als der sonst in der Welt übliche. Er ist dauerhaft, die Summe des Ganzen und vollkommen. Leider keine Alltagserfahrung, obwohl er täglich zu erfahren wäre.

 

Das Geheimnis dieses anderen Friedens ist, dass nicht Rache und Vergeltung, nicht Klugheit und Macht, nicht Waffen und Unterdrückung dahinter stehen, sondern einer, der in die Welt gekommen ist, um mit den Menschen zu leben, für sie zu sterben und der für sie auferstanden ist.

 

Das Geheimnis dieses Friedens ist einer, der scheinbar machtlos am Kreuz gesagt hat: Vater, vergib ihnen. Das Geheimnis sind Menschen, auch wir, die beten und verwirklichen, „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ „Vergebung“ – das ist das Wort zum Frieden.

Darum stimmt es wieder das Bibelwort:

Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.