Das Evangelische Wort

Sonntag, 20. 04. 2003,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

Superintendent Werner Horn (Wien)

„Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ (Markus 16,6b)

 

Das sagt der Engel den drei Frauen, die am Ostermorgen das Grab Jesu aufsuchen und eigentlich die Absicht haben, dem Verstorbenen einen letzten Dienst zu erweisen, indem sie ihn mit Öl salben. Aber statt einen toten Jesus vorzufinden, erhalten sie diese Nachricht.

 

Ostern – Auferstehung? Viele betrachten wie die drei Frauen den Tod als das schrecklichste Ereignis. Denn der Tod ist endgültig. Angesichts des Todes von Auferstehung zu sprechen, erscheint ihnen unrealistisch.

 

Freilich: wer der Auffassung ist, mit dem Tod sei alles aus, der versucht in der Regel auch den Gedanken an den Tod zu verdrängen. Er vermeidet es, an ein Sterbebett zu treten. Das „memento mori“, das „Gedenke des Todes“ wird ersetzt durch ein „nur nicht daran denken“. Der einzige Trost besteht darin, dass es noch nicht so weit ist. Selbst im Zustand schwerster Krankheit redet man sich noch ein, es werde schon bald wieder gut. So kommt es zu der paradoxen Erscheinung, dass Menschen, die Wert darauf legen, Realisten zu sein und nur gelten lassen, was sie beweisen können, angesichts des Todes in Illusionen fliehen.

 

Wer von dem Gedanken „Mit dem Tod ist alles aus“ beherrscht wird, steht unter dem oft unbewussten Drang, aus dem Leben herauszuholen, was nur herauszuholen ist. Vergnügen um jeden Preis kann es aber nur auf Kosten anderer geben. Rücksichtslose Genießer sind eine Belastung für jede Gemeinschaft. Wer mit der Endgültigkeit des Todes rechnet, kann auch zum Nihilisten werden, das heißt, zu einem Menschen, der alles Bestehende für sinnlos hält und alle Normen und Werte verneint.

 

Der christliche Glaube lässt die Schwere des Todesgeschickes uneingeschränkt gelten und führt doch zugleich den Blick über den Tod hinaus. Sein Vertrauen auf ein Jenseits des Todes ist in der Liebe Gottes und in der Auferstehung Jesu begründet. Diese Liebe ist in ihrem Ja zu uns genauso unzerstörbar wie Gott selbst.

 

Zugegeben: es ist schwierig, sich die Auferstehung gedanklich vorzustellen. Sie greift über unseren Erfahrungshorizont hinaus. Sie ist mit keinem anderen Ereignis vergleichbar. Was wir beobachten, ist die Verwesung der Verstorbenen, durch die Erde wieder zu Erde wird. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Frauen die ersten Osterzeugen am Grab Jesu, von Zittern und Entsetzen ergriffen werden, als ihnen gesagt wird: „Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“

Auferstehung und Verwesung stehen nicht im Widerspruch zueinander. Auferstehung bedeutet nicht Reanimation, das heißt Rückkehr in das alte, vergängliche und zuletzt dem Tod verfallene Leben. Auferstehung bedeutet neue Schöpfung in eine neue Welt hinein, in der es kein Leid, kein Geschrei und keinen Tod mehr gibt.

 

Der auferstandene Christus gehört nicht mehr der sterblichen Welt. Er ist der Anfang einer ganz neuen Menschheit. Das hat Konsequenzen. Wie der Tod das irdische Leben zerstört, so vollendet die Auferstehung das persönliches Leben in der Liebe Gottes.

Und noch etwas: wer glaubt, dass es Auferstehung gibt und das eigene Leben in Gottes Liebe geborgen ist, der braucht nicht nach allem zu greifen, sondern kann sich gelassen an dem freuen, was jeder Tag bringt. Man wird dann auch für andere da sein, weil man weiß, dass sich darin der Sinn des Lebens erfüllt.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen Frohe Ostern.