Das Evangelische Wort

Sonntag, 27. 04. 2003,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Pfarrerin Christine Hubka (Wien)

 

Weiß gedeckte Tische stehen in einem großen Kreis.

Kerzen und Blumen schmücken sie.

Gedämpftes Licht ist im Raum.

Es ist Abend.

Gründonnerstag Abend.

Die Gemeinde sitzt an den Tischen.

Sie hört die Erzählungen,

die das jüdische Volk beim Passafest erzählt.

Heute so wie damals,

als Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat

am Abend vor seinem Tod.

Sie singt Lieder der Hoffnung

auf den befreienden Gott.

Sie hört das Evangelium von der Einsetzung des Abendmahles.

 

Dieser Gottesdienst ist für mich einer der berührendsten im ganzen Jahr.

Miteinander Tischgemeinschaft haben am Abend. Hörend. Singend. Empfangend.

Diesmal aber war er überschattet von der päpstlichen Enzyklika, die an diesem Tag zum Thema Abendmahl veröffentlicht wurde:

Die Gemeinde, die zur Feier der Eucharistie zusammenkommt, benötigt unbedingt einen geweihten Priester, der ihr vorsteht, um wirklich eucharistische Versammlung sein zu können. Auf der anderen Seite ist die Gemeinde nicht in der Lage, sich selbst den geweihten Amtsträger zu geben. .... Daher kann das eucharistische Geheimnis in keiner Gemeinde gefeiert werden, es sei denn durch die Hände eines geweihten Priesters.

 

Unsere Abendmahlsfeier am Gründonnerstag und an allen Sonntagen im Jahr ist also nach der Meinung dieser Schrift nichts, was die Bezeichnung Abendmahl verdient.

Denn:

In der Evangelischen Kirche sind Pfarrerinnen und Pfarrer bei ihrer Ordination beauftragt, das Abendmahl zu feiern, zu taufen, zu predigen. Sie bleiben aber ein Teil der Gemeinde. Wir sind nicht Mittler zwischen Gott und den Menschen. Wir sind nicht Stellvertreter Christi. Wir sind so nah oder so fern von Gott, wie die Menschen, mit denen wir das Abendmahl feiern. Und weil das so ist, darum soll unser Abendmahl kein Abendmahl sein?

 

Jede Kirche hat das Recht, sich selber Regeln und Ordnungen zu geben für ihr Leben und auch für ihre Art, das Abendmahl zu feiern. Aber keine Kirche hat das Recht und die Macht, einer anderen abzusprechen, dass bei ihrem Abendmahl das Vermächtnis und der Auftrag Jesu erfüllt wird, wie ihn die Bibel überliefert:

 

Am Abend des Passafestes setzte Jesus sich zu Tisch mit seinen Jüngerinnen und Jüngern. Und als sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: Bin ich's, Rabbi? Er sprach zu ihm: Du sagst es.

Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmt, esst; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinkt alle daraus. Selbst Judas, der ihn zu diesem Zeitpunkt schon verraten hat, darf also da bleiben. Auch ihm reicht Jesus Brot und Wein. Und damit es nur ja wirklich alle verstehen, sagt Jesus auch noch: Trinkt alle daraus, als er mit seinen Freundinnen und Freunden aus einem Kelch trinkt.

 

Die Enzyklika aber sagt:

Die katholischen Gläubigen, wenn sie auch die religiösen Überzeugungen ihrer getrennten Brüder respektieren, müssen sich von der Teilnahme an einer Kommunion fernhalten, die in ihren Feiern ausgeteilt wird, um nicht einer Zweideutigkeit über die Natur der Eucharistie Vorschub zu leisten.

 

Wir Evangelischen aber lesen in der Bibel, dass Jesus ganz eindeutig verheißen hat: Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18, 20) In diesem Vertrauen teilt die Gemeinde Brot und Wein und glaubt, dass er mitten unter uns ist.

 

Und weil wir meinen, dass Gott es ist, der zum Abendmahl einlädt, werden wir es uns auch weiterhin nicht nehmen lassen, die Einladung an alle weiter zu sagen, ganz gleich welcher Kirche sie angehören: „Nehmt und esst vom Brot des Lebens. Kommt und trinkt vom Kelche des Heils.“