Das Evangelische Wort

Sonntag, 30. 11. 2003,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Senior Pfarrer Klaus Niederwimmer (Klagenfurt)

 

Ich lese Ihnen zu Beginn eine kurze Geschichte von Heinrich Lhotzky vor: "In einem Winkel der Welt kauerte verbissen, trotzig und freudlos eine dicke, schauerliche Finsternis. Plötzlich erschien in dieser Not ein kleines Licht, klein, aber ein Licht. Jemand hatte es hingestellt. Es war ganz einfach da und leuchtete. Einer, der vorüberging, meinte: "Du ständest besser woanders als in diesem abgelegenen Winkel". "Warum?" fragte das Licht. "Ich leuchte, weil ich Licht bin, und weil ich leuchte, bin ich Licht. Ich leuchte nicht, um gesehen zu werden, nein, ich leuchte weil es mir Freude macht, Licht zu sein." Aber die düstere Finsternis ging zähneknirschend und wütend gegen das Licht an. Und doch war die ganze große Finsternis machtlos gegen dieses winzige Licht."

 

An vielen Orten dieser Welt kauert die Finsternis. Ich denke an die Terroranschläge der letzten Wochen im Irak, in der Türkei oder an das brennende Studentenheim in Moskau. Detonationen und lodernde Flammen erhellen das Dunkel und sind doch Boten der Finsternis. Sie stürzen Menschen in körperliche und seelische Not, verfinstern ihr Gemüt.

 

Auf der anderen Seite erleuchten gerade jetzt wieder unzählige Lichter unsere Straßen und Plätze - der Advent hält wieder Einzug in unser Leben. Ob diese Lichter - auch wenn sie besinnlich stimmen und Helligkeit verbreiten, die vielen Dunkelheiten, in denen Menschen leben müssen, erhellen können?

 

Die Finsternis ist hartnäckig. Gewalt, Terror und Tod lassen sich nicht einfach durch ein paar Adventlichter vertreiben. Manchmal scheint es so, als ob Gewalt und Gegengewalt die Lösung wären, das Licht des Friedens endlich zum Leuchten zu bringen. Ich zweifle sehr daran, ob diese ständig wachsende Spirale der Gewalt wirklich helfen kann, Friedenslichter heller leuchten zu lassen.

 

Die Geschichte, die ich vorgelesen habe, spricht von einem kleinen unscheinbaren Licht, das einfach da ist und das versucht - ohne großes Aufsehen - gegen die Finsternis anzukämpfen. Dieses Licht ist für mich Symbol geworden: Symbol für Menschen, die versuchen, Licht für andere zu sein und Symbol für Jesus Christus, auf dessen Ankunft wir uns im Advent vorbereiten. Klein und unscheinbar kommt dieses Licht in die. Welt - und leuchtet. Da, wo Menschen in den Lichtschein dieses Jesus kommen, da wird es hell – in ihnen und um sie herum. Menschen werden verändert und fangen an, dieses kleine Licht des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in die Welt zu tragen.

 

Jochen Klepper, der sich selbst aus Verzweiflung über die dunkle Macht des Nationalsozialismus das Leben genommen hat und der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiern würde, schreibt in seinem wunderschönen Adventlied:

 

"Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und Schuld

doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld...

...Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein,

der helle Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein."

 

Wie Jochen Klepper gebe ich mich nicht dem irrigen Traum bin, dass es in unserer Welt keine Gewalt mehr geben wird. Noch manche Finsternis wird unser Leben und unsere Welt verdunkeln, aber ich möchte es lernen, im Vertrauen auf das kleine Licht des Glaubens Schritte ins Helle zu gehen.

 

Jede brennende Kerze am Adventkranz ist mir Zeichen dafür, dass es heller wird in dieser Welt, dass das Warten auf diesen "Stern" Sinn macht, weil er es war, der das Licht des Friedens und der Hoffnung in die Welt gebracht hat.

 

Im Buch des Propheten Jesaja heißt es: "Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt." Ich kann aufstehen aus der Finsternis. Ich kann diesem Morgenlicht entgegen gehen. Ich kann selbst Licht werden, weil mir dieses Licht entgegen kommt. Ich kann der scheinbar allmächtigen Finsternis die Stirn bieten, meine Kerze nehmen und Licht dorthin tragen, wo Menschen in Gefahr stehen, nicht mehr aus der Dunkelheit herauszufinden. Ich traue dem Licht dieses adventlichen Glaubens zu, dass es gerade zu denen kommt, die im Dunkel stehen und dass es für sie leuchten möchte.