Das Evangelische Wort

Sonntag, 04. 01. 2004,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Pfarrer Dr. Christoph Weist

 

Der christliche Glaube ist nicht mehr allein. Zumindest nicht in unseren Breiten. Für Jahrhunderte, ja für Jahrtausende hat er hier den Ton angegeben, hat er das Denken und Hoffen der Menschen geprägt und ihrem Leben Halt gegeben. Heute ist er ein Angebot auf einem vielfältigen Markt von Religionen und Weltanschauungen, die nebeneinander stehen, oft sogar in Konkurrenz.

 

Das wird auch in dem Jahr, das gerade begonnen hat, so sein. An vielen kleinen und großen Beispielen wird es sich zeigen, nicht nur am Besuch der Gottesdienste in den Kirchen. Ein Blick in eine Jugendzeitschrift, ein Hineinhören in eine Diskussion unter Gebildeten über Weltanschauungsthemen, all das zeigt: Der christliche Glaube spielt eine Rolle, - aber nur mehr eine neben anderen Gedanken und Vorstellungen über die Welt und das Leben, geordneten und ungeordneten.

 

Ich weiß, dass das viele, denen der christliche Glaube etwas bedeutet, bedrückt und unsicher macht. Sie wollen retten, was sie für rettbar halten. Sie wollen ihren Glauben in staatlichen Verfassungen abgesichert sehen. Sie wollen ihn ”wehrhafter” machen. Sie wollen der ”Globalisierung” der vielen religiösen Strömungen fundamentalistische Behauptungen entgegensetzen: Wir haben Recht, ihr anderen nicht, so ist das eben.

 

Ich denke, das hilft niemandem. Schon gar nicht dem Glauben. Der ist auf eine so plumpe Unterstützung nicht angewiesen. Denn - und davon bin ich überzeugt - die Botschaft des Christentums ist noch immer sehr stark. Sie ist viel stärker als alle noch so wohlgeschmiedeten oder auch verzweifelten menschlichen Ideen darüber, was die Welt im Innersten zusammenhält und was ihr gut tut.

 

Ich halte die Botschaft von dem Gott, der sich in unerklärlicher Liebe so sehr mit den Menschen identifiziert, dass er selbst zu einem Menschen geworden ist, für so stark, dass sie auch kritische Fragen aushält. Etwa die des Judentums: Ist nach dem Erscheinen eures Messias wirklich etwas besser geworden in der Welt? Etwa die des Islam: Habt ihr nicht viel zu viel andere Götter außer dem einen und einzigen Gott? Und wie ernst ist es euch damit, euren Glauben in eurem Leben ganz konkret umzusetzen, in der Familie und im großen gesellschaftlichen Zusammenleben?

 

Da kann man nicht kontern mir Gegenvorwürfen. Auch die lange Geschichte des christlichen Glaubens ist nicht frei von Fanatismus und Terrorismus, von Rücksichtslosigkeit und Menschenverachtung bis auf den heutigen Tag. Man sollte für die Fragen dankbar sein. Und man sollte versuchen, sie bei sich und für sich zu beantworten. Was haben Menschen schief laufen lassen, wenn die Botschaft der Liebe, von der ja erst kürzlich zu Weihnachten wieder ausführlich die Rede war, so oft nicht durchkommt? Warum ist es auch für mich so schwer, nach meinem Gewissen, das an der Bibel orientiert sein soll, Entscheidungen zu fällen inmitten all jener Dinge, die man ”Sachzwänge” nennt?

 

Der christliche Glaube ist nicht mehr allein, wenn es um die Antworten auf die Rätsel des Lebens geht. Aber seine Botschaft ist stark. Das wird sich auch in diesem Jahr erweisen. Sie ist stark durch jene Frauen und Männer, die sich entschlossen haben, die Nachricht von der bedingungslosen Zuwendung Gottes, die kein anderer Glaube kennt, nicht nur weiterzugeben, sondern auch in die Tat umzusetzen. Manche tun’s in tatkräftigen Aktionen, manche tun’s im stillen Gebet. Sie alle - und eigentlich nur sie – sind berechtigt, mitten auf dem großen Markt religiöser Möglichkeiten auf einen Mann hinzuweisen, auf Jesus von Nazareth, und zu sagen, was auch die Bibel von ihm sagt:

”In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den sie sollen selig werden.” (Apg 4,12)