Das Evangelische Wort

Sonntag, 11. 01. 2004,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Mag. Gisela Ebmer (Wien)

 

Es war einmal ein sehr reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Er hatte so viel Geld, dass er aus seinem Leben etwas ganz Besonderes machen wollte. Eine große Tat vollbringen, von der alle Menschen in allen nachfolgenden Generationen reden würden. Dann wäre er unsterblich. Und so wie sein großes Vorbild Charles Darwin mit seinem Segelschiff Beagle auf den Galapagosinseln gelandet ist, so landete unser reicher Mann mit Beagle auf dem Mars. Er will dort Leben finden und mit dieser Entdeckung so unsterblich werden wie Darwin mit seiner Evolutionstheorie.

 

Es war einmal ein armer Mann, der lag vor der Tür des Reichen voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel. 651 Millionen Euro braucht unser reicher Mann für eine Marsmission. Mehr als die Hälfte der bisherigen Unternehmen sind schief gegangen. Aber es fällt nichts ab vom Tisch des Reichen für den armen Mann vor seiner Tür, für die zwei Drittel der Weltbevölkerung, die zu wenig oder nichts zu essen haben.

 

Warum aber sucht der reiche Mann überhaupt Leben auf dem Mars? Schon im 19. Jahrhundert hat es Beobachtungen gegeben, die seine Fantasie beflügelt haben. Ein Netz von geraden Linien, die dunkle Flecken miteinander verbinden – könnte das ein Kanalsystem zur künstlichen Bewässerung unseres Nachbarplaneten sein? Flecken an seiner Oberfläche, die manchmal grün sind. Gibt es Vegetation auf dem Mars? In der Antarktis hat man 1996 einen Marsmeteoriten gefunden mit fossilen Spuren von angeblichen Bakterien. Alle Theorien haben sich wieder in Luft aufgelöst. Reicher Mann, was suchst du auf dem Mars?

 

Ich weiß nicht, was der reiche Mann auf dem Mars sucht. Ich will ihm auch gar nicht unterstellen, dass er egoistisch nur Macht und Unsterblichkeit will. Vielleicht hat er einfach nur Angst vor den Katastrophen, die uns drohen: Vor den Klimaveränderungen durch die Erwärmung der Erdatmosphäre, vor dem Wassermangel und dem Wachsen der Wüsten, vor den vielen armen Menschen, die nichts zu essen haben, vor jenen, die mit Terror und Krieg um ein lebenswertes Leben kämpfen. Vielleicht sucht der reiche Mann auf dem Mars eine Ursache für all das. Warum ist der Wasserdampf aus der Marsatmosphäre verschwunden? Warum gibt es dort kein intelligentes  Leben, kein Leben mehr? Hat es sich am Ende selbst zerstört? Vielleicht findet er auf dem Mars die Lösung aller unserer Probleme. Vielleicht möchte der reiche Mann uns einfach warnen, damit wir nicht auch einem solchen Ende entgegengehen.

 

Im Lukasevangelium steht: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten auferstünde. Hören wir die vielen Stimmen nicht, die uns immer wieder warnen, dann werden wir uns auch nicht überzeugen lassen, wenn einer vom Mars zurückkommt und uns warnt. Wenn er unseren Lebensstil und das Wirtschaftssystem der reichen Länder in Frage stellt, wenn er uns aufruft zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen.

 

651 Millionen Euro pro Mission –  statt seine Freunde durch Entdeckungen auf dem Mars zu warnen, könnte der reiche Mann mit seinem Geld dafür sorgen, dass der Arme vor seiner Tür etwas zu essen hat und von seiner Krankheit geheilt wird. Er könnte dazu beitragen, das Leben für viele Menschen auf unserem Planeten ein Stück lebenswerter zu machen.