Das Evangelische Wort

Sonntag, 01. 02. 2004,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

Von Landessuperintendent Peter Karner (evangelisch-reformierte Kirche H.B., Wien)

 

 

Bibel: aus Lukas, Zitat 18

Es war ein Richter in der Stadt, der Gott nicht fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute. Und eine Witwe war in jener Stadt, die kam immer wieder zu ihm und sagte: „Schaff  mir Recht gegen meine Gegner.“ Und der Richter wollte eine Zeitlang nicht. Doch dann sagte er sich: Wenn ich auch Gott nicht fürchte, und mich vor keinem Menschen scheue, so will ich doch, weil mir diese Witwe Mühe macht, sie zu ihrem Recht kommen lassen. Sonst kommt sie womöglich noch und schlägt mich ins Gesicht.

 

„Macho – Herausgeber“ haben diesem Gleichnis just und beharrlich einen falschen Titel gegeben, wie „Das Gleichnis vom ungerechten Richter“ oder „Das Gleichnis von der bittenden Witwe“. Diese Witwe denkt gar nicht daran, um etwas zu bitten. Sie ist lästig, um etwas zu erreichen – bei einem korrupten Richter. Was Jesus seinen Zuhörern sagen will, wird gern verdrängt: Wenn du zu Gott betest, dann tu es voller Unruhe und Ungeduld. Sei lästig, zudringlich, ja unverschämt – wie diese Witwe zu dem „Richter“.

Das „Gleichnis von der lästigen Witwe“ passt eben nicht in unsere Gebetsklischees..  Und doch ist das lästige Bedrängen Gottes in der Tradition verankert. Zum Beispiel in Psalm 44. Da heißt es: „Wach auf, Gott, warum schläfst du? Wach auf und verstoß uns nicht. Warum schaust du uns nicht an? Hast du unser Elend und unsere Not vergessen? Kein Wunder, dass diese Art zu beten verdrängt wurde, klingt doch Psalm 44 so, als würde hier einer mit seinem pflichtvergessenen Knecht reden.

Das Ärgerliche am Gleichnis Jesu ist ja nicht, dass er etwa sagen würde: „Betet halt fleißig und viel!“ Nein, er sagt: „Seid eurem Gott lästig mit eurem Beten, geht ihm auf die Nerven, bedrängt ihn. Betet zudringlich!

 

Denn wenn ein ungerechter Richter diese Witwe erhört hat, wie viel mehr wird euch Gott, der ein gerechter Richter ist, erhören.

Aber diese Art zu beten, hat noch eine andere Seite. Gott will, scheint´s, wie biblische Geschichten zeigen, dass „seine Leute“ auch zudringlich sind, wenn er sie zu denen schickt, die hier, in dieser Welt, die Macht haben. Und so „belästigt“ Mose Pharao, den ägyptischen König, mit den ägyptischen Plagen. Und der Prophet Nathan „belästigt“ den König David mit einer frontalen Anklage: „Du bist der Mann, du bist der Täter.“ Und der Prophet Ezechiel „belästigt“ den ägyptischen König, indem er ihm seine Todesanzeige vorsingt: „Pharao, du schiaches Krokodil.

Das erwartet Gott von seinen Gläubigen: dass sie den falschen Göttern sagen, dass sie nur schlechte Menschen sind. Genau das hat Jesus selbst getan: Gerade durch seine Sanftmut hat er seine Gegner oft bis zur Raserei getrieben. Und genauso haben viele Heilige und die Reformatoren provoziert: nicht nur der mutige Zwingli. Und so mancher Kabarettist hat in der Hitlerzeit Worte gesagt, auf die man vergeblich von der Kanzel gewartet hat. Vielleicht wissen viele Redakteure und Demonstranten, die den Regierenden auf die Nerven gehen, gar nicht, dass ihre Lästigkeit von Gott kommt.

 

Und wem fallen wir eigentlich lästig, müssen wir uns wohl von dem fragen lassen, der das „Gleichnis von der lästigen Witwe“ erzählt hat?

Ein verrückter Glaube, unser Glaube: Fromm sein heißt auch lästig zu sein. Kann man das lernen? Als Kinder haben wir´s können. Und so haben wir ja auch bekommen, was wir haben wollten. Aber dann haben sie uns das zudringliche Bitten erfolgreich abgewöhnt. Aber was man Hänschen abgewöhnt hat, kann Hans wieder lernen. Gott segne unsere heilige Zudringlichkeit.