Das Evangelische WortSonntag, 07. 03. 2004, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Dr. Jutta Henner, Wien Darf eine muslimische Lehrerin an einer staatlichen deutschen Schule ein Kopftuch tragen?
Diese Frage hat eine heftige Debatte ausgelöst. In einigen deutschen Bundesländern gibt es bereits entsprechende Gesetzesentwürfe, in anderen wird noch überlegt, Lehrkräften an staatlichen Schulen zu verbieten, religiöse Symbole zu tragen. Sie könnten ja auch als politische Bekundungen gewertet werden oder gar den Schulfrieden stören. Christliche Symbole dagegen wie das Kreuz seien im Sinne der sogenannten „christlichen und abendländischen Erziehungswerte“ jedoch anders zu bewerten.
Dass zuweilen Ängste vor dem oft Unbekannten des
Islam, vor einer möglichen Islamisierung Europas bei der Beschäftigung
mit der Frage in der Bevölkerung und in den Medien mitspielen, soll
nicht geleugnet werden.
In Frankreich ist die Debatte noch weiter fortgeschritten und wird um vieles heftiger geführt: Ausgehend vom dortigen Kopftuchstreit sollen religiöse Symbole überhaupt aus den öffentlichen Schulen verbannt werden. Eine Gleichbehandlung aller Religionen durch den Staat ist hier angestrebt.
Die Folge davon
– möglicherweise sogar das beabsichtigte Ziel – wäre eine
generelle Verbannung des Religiösen aus dem öffentlichen Raum ins
rein Private. Damit sei die Religionsfreiheit erst wirklich gewährleistet
– so meint man jedenfalls. Die Rolle der Kirchen in der Öffentlichkeit
soll weiter zurückgedrängt werden. Glaube ist in der Tat zunächst etwas ganz Persönliches.
Die Begegnung mit dem lebendigen Gott befreit und
verwandelt den einzelnen Menschen. Christlicher Glaube lebt von der
persönlichen Frömmigkeit. Christlicher Glaube lebt aber auch in
der Gemeinschaft. Glaube, auch der christliche, lebt darüber hinaus
von Zeichen, von Gesten, Ritualen und Symbolen. Zeichen, die über
sich hinausweisen, die auf dem Weg begleiten, aber auch Anstoß sein
können für andere, die sie nicht verstehen. Symbole verbinden mit
einer Tradition, stiften Identität und Beziehung untereinander. Ich
will nur an das Symbol des Fisches erinnern, das die christliche
Gemeinde an ihren Anfängen begleitete. Oder an das Symbol des
Kreuzes. Darüber schreibt Paulus, es sei „denen, die verloren
werden, eine Torheit ist, uns aber, so führt Paulus weiter aus,
uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft“.
Was für Folgen hat es für den Glauben, wenn der
Glaube aus der Öffentlichkeit gedrängt wird, wenn seine Symbole
aus dem Alltag verschwinden? Die Geschichte und der Blick in die
Welt zeigen, dass er weiterlebt: in ganz besonderer und tiefer
Weise. Konzentriert auf das Wesentliche wächst eine neue geistliche
Kraft.
Von daher sollten die Versuche, das Religiöse aus
dem öffentlichen Leben zu drängen, weniger Sorge machen.
Mehr Sorge bereitet mir die Frage, woher
Orientierung und Werte für die moderne Gesellschaft kommen sollen.
Wer tritt ein für Respekt und Toleranz und für Freiheit der
Religionsausübung – die in vielen Teilen der Erde noch alles
andere als selbstverständlich ist. Wer für die Wahrung der
Menschenwürde? Wer für die Bewahrung der Schöpfung und für die
Rechte der Armen, Schwachen und Kranken?
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