Das Evangelische Wort

Sonntag, 06. 06. 2004,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

von Pfarrer Peter Karner, Wien

 

Erinnern Sie sich noch an "Wickie und seine starken Männer" - die berühmte Fernsehserie, die jung und alt begeistert hat? Heuer feiert Wickie, der zarte Held, seinen 30. Geburtstag. Sein Vater, der wilde Halvar, Chef des Wikingerdorfes Flake, hätte sich natürlich lieber einen weniger ängstlichen Buben als Sohn gewünscht. Aber der kleine Wickie hat’s in sich: Er besiegt seinen starken Vater

 

im Steineschleppen, er kämpft mit den Riesen und hetzt dem "schrecklichen Sven" eine Wolfsmeute auf den Hals.

Und darum nimmt Vater Halvar seinen Wickie auf alle Raubzüge der Wikinger mit. Denn immer wenn die großen, starken Männer in Schwierigkeiten kommen, hilft ihnen Wickie aus der Patsche. Und die Wikinger kommen andauernd in Schwierigkeiten.

Dann reibt sich Wickie seine Nase - und eine Art Sternenexplosion zeigt an, dass er nachdenkt. Und dann verkündet er mit strahlendem Gesicht: "Ich hab’s!“

 

Nein, der fast schon Kultcharakter der "Wickie-Serie" erklärt sich nicht aus der Nostalgie der heute 30jährigen: für die halt ein Stück Kindheitserlebnis glorifiziert wird. Der Nachwuchs ist genauso begeistert wie die Kinder 1974.

 

Hier wird die Sehnsucht der Kleinen und Schwachen angesprochen. Und gerade Kinder erleben ja fast täglich, was es heißt, klein und schwach zu sein. Dauernd kriegen sie ja zu hören, was sie alles nicht dürfen, weil sie es angeblich noch nicht können. Und sie merken ja selber, was alles noch zu hoch und zu weit und zu groß für sie ist. Da ist es ganz natürlich, sich mit  Wickie zu

 

identifizieren. Der ist zwar so klein wie sie, aber der zeigt’s den Erwachsenen. Zugegeben, die sind ihm zwar an Körperkraft überlegen, aber dafür ist er ihnen geistig überlegen. Der hat nicht nur Raufereien im Schädel wie die Rabauken Tjure und Snorre. Wickie hat Gehirnschmalz - er kann denken, der kann sogar die schwierigsten Probleme lösen. Und die starken Männer müssen zähneknirschend zugeben, dass Wickie der Größte ist. Und viele seiner Fans haben ja auch längst bemerkt, dass ihre Eltern und Lehrer zwar mehr Körperkraft haben als sie, aber deshalb noch lange nicht gescheiter sind.

 

Biblisch versierte Leute erinnern bestimmt die Wickie-Geschichten an eine berühmte Geschichte aus dem Alten Testament, nämlich: den "Kampf zwischen David und Goliath" (1.Samuel 17):  

 

„Als nun der Philister Goliath den David angeschaut hatte, da verspottete er ihn, weil er noch ein Bub war - rotblond und von schöner Gestalt. Und Goliath sprach zu David: "Bin ich denn ein Hund, dass du mit einem Stecken zu mir kommst? Komm nur her, dann will ich dein Fleisch den Vögeln des Himmels und den Tieren des Feldes geben.

David aber antwortete Goliath: Du kommst zu mir mit Schwert und Speer und Wurfspieß; ich aber komme zu dir im Namen Gottes, den du verhöhnt hast." (1. Samuel 17/42-45)

Und der kleine Hirtenbub David hat tatsächlich den riesigen Goliath besiegt. War das nur Glück oder Zufall, ja dann haben wohl Macht, Stärke und Brutalität das letzte Wort. Oder war der erfahrene Junghirt nur der bessere Kämpfer als der sture Soldat? Dann müssten die Unterdrückten nur besser raufen lernen! Oder war’s doch Gottes Fügung? Ja dann besteht noch Hoffnung für die Kinder und

 

die Kleinen und die Schwachen und Erfolgslosen und die Unterdrückten. Und diese Hoffnung darf nicht mit einem Märchen verwechselt werden.

 

Diese Hoffnung gehört zu den wichtigsten Nahrungsmitteln: egal, ob ich sie jetzt von Wickie, David, der Mickeymaus oder dem tapferen Schneiderlein bekomme.

Alles Gute zum 30. Geburtstag, Wickie!