Das Evangelische WortSonntag, 20. 06. 2004, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Gisela Ebmer
Röm.
Legionär: Oh, das ist aber sehr schön, was du da hinten drauf
hast. Obelix:
Hinten drauf? Aber ich hab’ doch gar nichts hinten drauf. Röm. Legionär: Doch, einen Hinkelstein. Obelix:
Hab’s gar nicht gemerkt – ja ja, das ist ein Hinkelstein. Rom-
Legionär: Ich kaufe ihn für 200 Sesterzen. Obelix:
Sesterzen? Röm. Legionär: Es ist von großem Vorteil, Geld zu haben. Du kannst dir damit einen ganzen Wald voll Wildschweinen kaufen. Du wirst der reichste Mann im Dorf. Und damit auch der wichtigste.
Und so beginnt der Abstieg des gallischen Dorfes, von dem die Erzählungen von Asterix und Obelix handeln. Die Römer haben eine neue Kampfstrategie gegen diese unbesiegbare kleine Schar erfunden: Der Reiz des Geldes wird sie schwach machen. Obelix beginnt, Hinkelsteine zu hauen, für den Verkauf. Immer mehr sind nötig. Er hat keine Zeit mehr für seine Freunde, keine Zeit für die Wildschweinjagd, keine Zeit für ein festliches Essen. Er muss Leute aus dem Dorf anstellen, die für ihn die Wildschweine jagen. Sie werden pro erlegtem Stück bezahlt. Und plötzlich gibt es im Wald zu wenig Wildschweine. Die Freunde von Obelix müssen weit wandern, um eines zu finden. Denn jetzt sind Wildschweine Privatbesitz, wo sie doch vorher für alle da waren. Als Obelix viel Geld hat, beginnt er es auszugeben. Ein fahrender Händler kommt ins Dorf mit kostbarer Seide. Obelix kauft alles, mitsamt dem Wagen. Der selbständige Händler wird bei ihm angestellt als Wildschweinjäger. Er verliert seinen Erwerb und seine Unabhängigkeit. Da Obelix jetzt der wichtigste Mann im Dorf ist, machen ihm die Frauen schöne Augen. Sie nähen Kleider für ihn statt für ihre Männer die Suppe zu kochen. Es kommt zu Streit, Neid, Eifersucht und die Männer beschließen, Obelix mit seinen eigenen Waffen zu schlagen: Alle beginnen, Hinkelsteine zu hauen und reich zu werden. Doch was macht Rom mit dieser Überproduktion an Hinkelsteinen, von denen noch dazu niemand weiß, wozu sie gut sind? Eine Krise folgt auf die andere, die Staatskasse ist leer, ein Bürgerkrieg droht. Und zuhause bekommt Obelix Sehnsucht nach seinen Freunden, nach der Wildschweinjagd, er möchte lachen und Feste feiern. Er sucht den Sinn in seinem Leben.
Ich
mag diese Geschichte, weil sie ganz genau zeigt, wie die neoliberale
Wirtschaft heute funktioniert: Eine Wirtschaft, die im Dienst des
Geldes steht und nicht mehr im Dienst des Lebens. Wo es darum geht,
durch uneingeschränkten Wettbewerb zu möglichst großem
Privateigentum zu kommen ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt. Eine
Wirtschaft, die immer mehr Menschen ausschließt und die Erde verwüstet.
Die Kluft zwischen den sehr Reichen und den Armen wird immer größer,
weltweit und bei uns in Österreich.
„Freut euch, ihr Armen, freut euch, die ihr jetzt hungert. Denn ihr werdet gesättigt werden... Doch wehe euch, ihr Reichen, euer Glück ist dahin,... ihr werdet trauern und weinen.“ hat Jesus gesagt. Obelix hat zum Schluss getrauert und geweint, und die Römer auch.
Für
mich klingen diese Sätze Jesu wie die dringende Aufforderung nach
Alternativen zu suchen. Und ich bin sehr froh darüber, dass die
evangelischen und katholischen Kirchen sich weltweit
zusammengeschlossen haben zu einem Prozess für eine gerechte
Wirtschaft im Dienst des Lebens gegen eine Wirtschaft im Dienst des
Geldes. Auch viele Nichtregierungs- und Non-profit-Organisationen
haben sich zusammengeschlossen zum Weltsozialforum und zum österreichischen
Sozialforum, das vor zwei Wochen in Linz getagt hat. Der Aufstand
der Zivilgesellschaft ist gefordert gegen die Herrschaft des Geldes.
Alle gemeinsam fordern eine faire Bezahlung der Bauern, die für uns
Kaffe, Kakao, Tabak und Kleidung produzieren, alle gemeinsam fordern
ein gerechtes Steuersystem, in dem auch die reichen Unternehmer
beitragen müssen für das soziale Wohlergehen eines Landes. Sie
fordern die Schließung von so genannten Steueroasen, das heißt,
Konzerne sollen in allen Ländern die gleichen steuerlichen
Bedingungen vorfinden. Vermögen sollte in Österreich viel höher
besteuert werden, wir liegen in der EU bei der Versteuerung von
Kapital ganz weit unter dem Durchschnitt. Und internationale
Geldtransaktionen sollten endlich besteuert werden. Nur ein kleiner
Prozentsatz von 0,25 würde Großes bewirken in der Bekämpfung der
Armut auf der Welt. Auch eine biblische Forderung wird immer wieder
in Erinnerung gerufen: Die Entschuldung jener Länder, die so arm
und abhängig sind von den Industriestaaten, dass sie niemals ihre
Schulden bezahlen können und daher niemals aus diesem
Armuts-Teufelskreis herauskommen. Und vielleicht sollten wir alle
einfach mal bei uns selber anfangen, und uns fragen, wo wir
ungewollt dazu beitragen, dass Menschen verhungern: Woher stammt unser Kaffe, unsere Kleidung, unsere Schokolade? Haben wir einen fairen Preis dafür bezahlt? Was bekommen unsere österreichischen Bauern für das Schlagobers, das ich billig im Supermarkt kaufe? Und vielleicht sollten wir uns mit Obelix fragen, was wir eigentlich davon haben, wenn wir der reichste und wichtigste Mann im Dorf sind. Haben wir in unserem Herzen nicht auch Sehnsucht nach ganz anderen Werten?
Eine
andere Welt ist möglich - das war die zentrale Aussage des heurigen
Sozialforums. Ich glaube daran.
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