Das Evangelische WortSonntag, 25. 07. 2004, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
Krankenhauspfarrer Bernd Hof, Innsbruck
Was
fällt einem in diesen Tagen zum Stichwort „Kirche“ ein? Nicht
viel Gutes, fürchte ich, nach allem, was in der letzten Zeit darüber
in den Medien zu hören, zu sehen und zu lesen war. Nun, was die
Herren im römisch-katholischen Priesterseminar in St. Pölten tun
und womit sie sich im Internet vergnügen, das ist, Gott sei Dank,
nicht meine Sache. Aber die ganze Berichterstattung macht doch auch
mich evangelischen Christen betroffen, denn die Glaubwürdigkeit der
Christen ist heute unteilbar: Jeder Skandal in einer Kirche
verringert ganz allgemein die Glaubwürdigkeit des Evangeliums, ob
uns das passt oder nicht. Ich kann mich nicht beruhigt zurücklehnen
und sagen: Wir haben’s ja immer gesagt, der Zölibat ist
grundfalsch, und Rom bleibt Rom. Nein, es gilt, was der Apostel
Paulus im 1. Korintherbrief schreibt:: „Wenn ein Glied leidet, so
leiden alle Glieder mit.“ (1Kor12,26)
Darum
bin ich froh, dass heute in den evangelischen Gottesdiensten davon
die Rede sein wird, was Kirche im Grund ausmacht. Im empfohlenen
Predigttext aus der Apostelgeschichte des Lukas heißt es: „Sie
blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der
Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ (Apg2,42)
Auf
vier Verbindungen in der christlichen Gemeinde weist der Evangelist
Lukas hier hin und hofft so der Kirche Raum für neues Leben zu
schaffen. Wichtig ist erstens, dass die Christen die Verbindung zur
Lehre der Apostel pflegen, zur Bibel also und zur Geschichte des
Glaubens. Kirche ist eine Gemeinschaft des Hörens und Lernens, und
die Bibel hat immer bei der Orientierung geholfen und auch dabei,
aus Sackgassen herauszukommen.
Dann
ist die Gemeinschaft wichtig, schreibt Lukas. Kein Christ ist also
allein, wir sind aneinander gewiesen, ja aufeinander angewiesen, und
ich bin überzeugt: Das gilt nicht nur für mich als Einzelnen,
sondern auch für die Konfessionen. Was haben die verschiedenen
Kirchen doch in den letzten fünfzig Jahren voneinander gelernt, und
wie ist die Zusammenarbeit gewachsen! Das Umgekehrte muss man
freilich auch erleben: Wo eine Gruppe meint, allein die Wahrheit zu
besitzen, wo sie die Gemeinschaft mit den anderen abbricht, da wird
sie zur Sekte.
Das
dritte Kennzeichen der Kirche ist das Brotbrechen. Das Wort kommt
von dem Brauch, das Fladenbrot nicht mit dem Messer zu zerschneiden,
sondern zu zerreißen und dann auszuteilen. Christsein heißt
teilen, und teilen macht reich, dafür ist das ein schönes Bild.
„Brotbrechen“ ist aber auch ein alter Ausdruck für das Heilige
Abendmahl. Kommunion heißt ja auf Deutsch Gemeinschaft. Schön, wie
in der evangelischen Kirche das Bewusstsein dafür gewachsen ist.
Umso schmerzlicher empfinde ich freilich, dass es zwischen den
meisten Kirchen immer noch keine offizielle Abendmahlsgemeinschaft
gibt. Damit dürfen wir uns nicht zufrieden geben!
Und
dann verbindet noch das Gebet die Christen miteinander und mit ihrem
Herrn, schreibt der Evangelist Lukas an dieser Stelle der
Apostelgeschichte. Immer wieder erlebe ich es, wie durch das Gebet
Hoffnung wächst und sich die Lage verändert. Christliche Gebete
sind keine Zaubersprüche, aber wenn ich bete, werde ich offen für
neue, andere Aspekte, kann ich die Wirklichkeit neu sehen und neu
leben, das ist meine Erfahrung nicht nur mit dem privaten Gebet im
„stillen Kämmerlein“, sondern auch dort, wo zwei oder drei oder
mehrere miteinander und auch für andere beten.
„Sie
blieben aber beständig in der Lehre der Apostel, in der
Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet.“ Das sollte gerade
jetzt eine Anregung, ein Vorbild für uns sein, finde ich: Dass wir
uns bewusst öffnen und bereit werden, aus der Heiligen Schrift und
voneinander zu lernen, dass wir Gemeinschaft pflegen und suchen, und
füreinander beten – als einzelne, aber auch als
Konfessionskirchen. Denn, auch wenn es manchmal weh tut: Als
Christen gehören wir zusammen.
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