Das Evangelische WortSonntag, 01. 08. 2004, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Pfarrerin Christine Hubka, Wien
Dein
Wort ward meine Speise, sooft ich's empfing. Dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost; (Jer 15, 16)
„Mama,
kann ich heute ein Eis?“ Jahrelang
hat mich diese Frage meiner Kinder im Sommer täglich genervt: Und
das gleich doppelt. Denn: bei der Frage – kann ich ein Eis? –
fehlt das letzte, das entscheidende Wort. So
hab ich also leicht gereizt zurückgefragt: „Kann ich ein Eis? –
Was? – Zum Fenster hinaus werfen? In die Haare schmieren?“
Darauf bekam ich – ebenfalls leicht gereizt – die erwartete
Antwort: „Kann ich ein Eis haben?“ Damit
war aber noch nicht das zweite Problem gelöst: Denn wenn ich das
ersehnte Eis bewilligte, schleckten die Kinder ihr Schokoladeeis mit
Inbrunst - aber ohne Technik. Es tropfte und rann schneller als sie
schlecken konnten. Am Ende war das halbe Eis in ihnen und die andere
Hälfte auf und über ihnen: Die Hände und Arme pickten bis zum
Ellbogen. Der Mund hatte einen breiten Schokoladerand. Und sogar die
Füße und die Sandalen bekamen ihren Teil der süßen Köstlichkeit.
Am liebsten hätte ich sie samt dem Gewand in die Waschmaschine
gesteckt. Heute
freu ich mich, wenn ich ein Eis-schleckendes Kind auf der Straße
sehe: Nicht
nur, weil ich für dessen Säuberung nicht zuständig bin, sondern
weil mir dann das Bibelwort einfällt: Dein
Wort ward meine Speise, sooft ich's empfing. Dein
Wort ist meines Herzens Freude und Trost; Dieses
Bibelwort ist für mich eine Einladung zum Abendmahl. Für
groß und klein. Für Erwachsene und Kinder. Wenn
man ein Kind fragt, dann geht es beim Eisessen ausschließlich und
allein darum, dass es Freude macht und schmeckt. Nur Erwachsenen
kann es einfallen, daraus
eine richtige Sprechübung zu machen. Aber
genau das haben wir in unserer evangelischen Kirche in Österreich
bis jetzt mit dem Abendmahl gemacht: Obwohl es auch beim Abendmahl
drum geht, dass es Freude macht und gut tut. Wir aber haben die
ausgeschlossen, die noch nicht die richtigen Worte für diese Freude
gehabt haben. Wir haben gesagt: Erst musst du verstehen und sagen können,
was es heißt, beim Abendmahl beschenkt zu werden, dann
erst darfst du das Geschenk bekommen. Das
ist so, als würden wir einem Kind sagen: Erst wenn du die Rezeptur
für Schokoladeeis aufsagen kannst, kriegst du ein Eis. Ich
weiß, dass mir Schokoladeeis nicht besser schmecken würde, wenn
ich das Rezept auswendig hersagen könnte. Und es würde mir auch
nicht besser schmecken, wenn ich verstehen würde, wie die Zutaten
sich bei der Zubereitung chemisch
und physikalisch verhalten. Die
Kinder schlecken ihr Eis mit Inbrunst. Mit gleicher Inbrunst
empfangen sie das Brot, und schon ganz junge Kinder halten mit großen
Ernst die Hände auf, um zu empfangen und zu hören: Brot des
Lebens, für dich gegeben. Brot der Gemeinschaft mit Gott und den
Menschen. Das
Kinder das Abendmahl empfangen, ist in der Lutherischen Kirche in Dänemark
seit 100 Jahren selbstverständlich. In vielen evangelischen
Gemeinden in Österreich, ist
in diesem Jahr das kinderoffene Abendmahl eingeführt worden. Ab 1.
Advent 2005 wird keine Gemeinde mehr Kinder
vom Abendmahl ausschließen. Die
Kinder sehen, wie wir Erwachsene das Abendmahl empfangen und lernen
von uns. Aber auch wir können von ihnen lernen, dass Abendmahl ganz
unmittelbar zu empfangen und die Freude zu empfinden: Dein
Wort ward meine Speise, sooft ich's empfing. Dein
Wort ist meines Herzens Freude und Trost;
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