Das Evangelische Wort

Sonntag, 08. 08. 2004,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

von Pfarrer Frank Lissy-Honegger aus Rust, Bgld.

 

Ich glaube, dass Frauen und Männer zum Bilde Gottes geschaffen sind.

Sie sind Gegenüber, in denen Gott sich wieder erkennen will. Als Bild und Gegenüber Gottes finden Frauen und Männer sich selbst in ihrer Beziehung zu Gott und in ihrer Bezogenheit auf andere, die wie sie zu Gottes Bild geschaffen sind.

Zum Selbstwerden gehört, sich achtsam und risikobereit auf andere einzulassen, Beziehungen auf Gegenseitigkeit einzugehen und einander zur Eigenständigkeit herauszufordern.

Wo Frauen und Männer sich als Person geachtet fühlen, können sie sich selbst wertschätzen, können sie entfalten, was in ihnen steckt, können sie ihre Stärken und ihre Schwächen annehmen und sich öffnen für ihre Mitwelt.

Wo Frauen und Männer sich als Person geliebt wissen, können sie Liebe und Geborgenheit weitergeben und für andere sorgen, ohne ihnen ihre Eigenständigkeit zu nehmen.

 

Die römisch-katholische Kirche hat in der letzten Woche ein Schreiben über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt herausgegeben, beschlossen von der Kongregation für die Glaubenslehre und approbiert von Papst Johannes Paul II. Und dieses Dokument nennt den geschlechtlich differenzierten Menschen ausdrücklich „Abbild Gottes“ und spricht vom personalen Charakter von Mann und Frau, das ist anzuerkennen. Schwer fällt es einem Protestanten allerdings, wenn in der Folge über die Rolle des Mannes überhaupt kaum, über die Rolle der Frau aber vor allem unter den Gesichtspunkten „Bräutlichkeit“ und „Mütterlichkeit“ reflektiert wird. Es scheint dann fast so, als ob der Titel „Zusammenarbeit von Mann und Frau“ dazu dienen soll, die Frau nicht eigenständig, sondern grundsätzlich auf den Mann bezogen darstellen zu können. Der Vielfalt und Buntheit dessen was Frauen als Bild und Gegenüber Gottes darstellen können, wird solche Beschränkung nicht gerecht. Auch nicht dem, was sich an Vielfalt von Lebensformen in der Gesellschaft entwickelt hat. Freilich – die Kirchen tun sich alle schwer damit, die gewandelten Lebensformen wahrzunehmen und die Menschen in unterschiedlichen Lebensformen anzusprechen und zu begleiten. In ihrem Frauenbild öffneten beziehungsweise öffnen sie sich erst langsam für die Forderungen der Gleichberechtigung. Ihr Gemeindeleben ist in erster Linie auf Familien ausgerichtet.

 

Aber: Die christliche Gemeinde lebt von der Vision, dass in ihr Menschen und menschliche Beziehungen in ihrer Vielfalt Raum haben.

 

Ein altes Symbol für Gott ist das Auge – das Auge des Schöpfers. In der Schöpfungsgeschichte heißt es kurz nach der Bezeichnung des Menschen als Bild Gottes „Und Gott sah an, alles was er gemacht hatte und es war sehr gut.“ Ich glaube nicht, dass Gott nachträglich alles Geschaffene noch einmal angesehen hat, um sich selbst eine gute Note zu geben – was für eine lächerliche Vorstellung. Nein – das Hinsehen Gottes, das Wahrnehmen Gottes ist ein Stück Schöpfung. Gott schuf – und schafft – die Welt noch einmal aus seinem Blick. Uns so bekam das Ganze ein Ansehen, das gut und schön genannt werden kann. Wenn wir von Gott reden, dann können wir nie von ihm „an sich“ reden, sondern immer nur von seiner Beziehung zu uns. Gott sieht seine Geschöpfe an, er sieht uns an, Frau und Mann, und nimmt uns wahr – offen und aufgeschlossen, neugierig, im Blick des Liebenden.

 

Seine Gemeinde lebt von der Vision, dass in ihr Menschen und menschliche Beziehungen in ihrer Vielfalt Raum haben. Sie ist die Gemeinschaft derer, die zum Bilde Gottes geschaffen sind, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit achten, die einander suchen und stützen und die die Welt in Gottes liebendem und an Diskriminierung und Menschenverachtung leidenden Blick erkennen.