Das Evangelische WortSonntag, 15. 08. 2004, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Landessuperintendent Peter Karner, Wien
Heute
ärgern sich viele Österreicher und Österreicherinnen, dass heuer
der 15.August auf einen Sonntag fällt, denn dadurch haben sie einen
freien Tag verloren. Laue Christen wissen, dass dieser Tag etwas mit
Maria zu tun hat. Aber sie sind sich nicht ganz sicher, ob dieser
Feiertag jetzt „Maria Empfängnis“ oder „Maria Himmelfahrt“
heißt. Gute Katholiken feiern heute "Maria Himmelfahrt",
also die Aufnahme Marias in den Himmel. Ich
finde es übrigens schön, dass an diesem Marianischen Feiertag ein
evangelischer Pfarrer über Maria reden darf. Jetzt ist das ganz
selbstverständlich, aber das war nicht immer so. Ich kann mich noch
ganz genau erinnern. Es war an einem 15. August in den 60erjahren.
Da habe ich in "Einfach zum Nachdenken" über Maria
gesprochen. Na mehr habe ich nicht gebraucht und ich hatte den
"Ökumenischen Scherm" auf. Viele evangelische Zuhörer
haben mir geschrieben, dass ich ein Verräter des evangelischen
Glaubens sei. Und viele katholische Hörer haben mir geschrieben,
ich solle gefälligst den Mund halten, denn als Ketzer würden mir
natürlich jegliche Spiritualität fehlen, um glaubwürdig über
Maria reden zu können. Maria schien und scheint immer noch zwischen
den christlichen Konfessionen zu stehen. Selten
aber doch bekomme ich immer noch zu hören: „ihr Protestanten
glaubts net an die Maria!" Zugegeben, viel an der katholischen
Marienfrömmigkeit ist den evangelischen Christen fremd. Und doch
haben evangelische Christen, von Luther bis zu dem Calvinisten Kurt
Marti Maria verehrt. Und der Reformator Ulricht Zwingli in Zürich
hat geraten: Wer Maria ehren will, der ehre sie in ihrem Sohn Jesus
Christus. Evangelische
Christen verehren eben die Maria der Evangelien: eine junge, nüchterne,
realistische Frau. „Wie soll denn das zugehen, wo ich doch von
keinem Mann weiß?“, sagst sie, als ihr ein Engel die Geburt eines
Kindes angekündigt hat. Aber dann ist sie bereit, die Mutter Jesu
Christi zu werden. Und Maria hat Jesus - zusammen mit seinen
Geschwistern - eine schöne Kindheit und Jugend geschenkt. Ja Maria
hat ihn ein Leben lang begleitet - bis zu seinem Tod und seiner
Auferstehung. Und
Maria, die Protestantin, wenn ich so sagen darf, hat ihr Magnifikat
gebetet: "Gott
hat zerstreut, die hochmütig sind. Er hat Gewaltige von ihren
Thronen gestoßen und Niedrige erhöht. Hungrige hat er mit Gütern
beschenkt und Reiche leer weggeschickt. " Das
ist ein geradezu revolutionäres Gebet. Eine junge Frau, die so
betet, die rechnet fest damit, dass Gott die Welt auf den Kopf
stellen wird. Maria weiß, dass Glauben nicht die Kraft gibt, sich
mit dem Bösen in der Welt abzufinden, sondern: Glaube ist die
Kraft, die Welt zu überwinden. Glaube ist Liebe und Barmherzigkeit.
Ich bin fast ins Schwärmen geraten mit Maria. In einem Mariengebet
heißt es u.a.: "Ich setze mich zu dir, Maria, ich verstehe
dich. Denn du hast von einer neuen Welt geträumt, so wie ich. Ich
setze mich zu dir, Maria, ich verstehe dich. Denn du hattest ein
Gotteskind, so wie ich. Ich setze mich zu dir, Maria, ich verstehe
dich. Du bist erschrocken, als dein Sohn eigene Wege gegangen ist -
so wie ich... Ich
würde mir schwer tun, zu Maria zu beten, aber ich möchte Maria
danken: denn von ihr lerne ich den Mut zur Veränderung, die Kühnheit
des Glaubens und die Revolution aus Liebe. Ich
möchte glauben können wie Maria.
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