Das Evangelische Wort

Sonntag, 19. 09. 2004,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Mag. Johanna Zeuner (Wien)

 

Neulich war ich im Urlaub. An der See. Da schaltet man ab.

Gewöhnlich. So dachte ich.

Wellenrauschen nimmt einen hinfort. Trägt mich heraus aus der Alltagswelt. Nein ich will, ich wollte gar nicht mehr verbunden sein, - ich wollte vergessen am Meer.

Dann aber machte ich folgende Beobachtung.

Männer mit Handy laufen durch das Seebad. Managen, verwalten, fixieren ihr nächstes Date, ihre nächste Krise. Ich traute als Kurseelsorgerin, die ich an diesem Ort war, meinen Augen nicht.

Und dessen nicht genug. Mein nächster Abendspaziergang endete profan, unweigerlich hörte ich ein Gespräch mit zwischen den Daheimgebliebenen und einer Frau im Strandkorb über Gott und die Welt am Handy, so als sei man eben zuhause und nicht am Strand. Ein Gespräch über den Gartenzaun mitten am Meer.

 

Diese Dimension unserer schönen neuen Handywelt war mir bis dahin noch nicht bewusst. Stimmte mich als Seelsorgerin bedenklich.

Ich kam ins Fragen:

Nehme ich mir, nehmen sich meine Miturlauber da nicht einen wesentlichen Bestandteil dessen, warum sie, warum ich - das traute Heim, die eigenen vier Berufswände verlassen haben?

Schalten wir nicht mehr ab? Ist die Sehnsucht verbunden zu sein größer geworden, als das Bedürfnis nach Ruhe und Gelassenheit; nach dem Gegenteil von Stress? Und  ist der Druck zu funktionieren für manchen vielleicht wichtiger geworden als  die Notwendigkeit  wirklicher Entspannung? „Sorget nicht“ (Matt. 6) heißt es doch in der Bibel und das heißt doch auch: „Schaltet mal ab, klickt Euch aus, aus dem Netz“.

 

Noch etwas  wurde mir dort im Urlaub erneut klar, denn auf einer stillen Insel ohne Autoverkehr und Alltagslärm, fällt es einem besonders auf:

Wir hören zu - bei fremden Handygesprächen, wider Willen, amüsiert, neugierig,  je nachdem.

 Leben wird transparent dadurch, neu - aber bleibt unser Lebensgeheimnis, von dem die Bibel sagt, jeder Mensch sei einzigartig, eine Erfindung Gottes, dabei weiterhin gewahrt?

Manchmal ist es mir, als wollen gerade junge Menschen ihre Kommunikationsfähigkeit - so ein Schlagwort der Jahrtausendwende -, ihr verbunden Sein zu Markte tragen und unter Beweis stellen.

Als suchen sie öffentlich Anschluss - so cool.

Verändert sich also etwas, schleichend, revolutionär durch die neuen  Formen der Kommunikation, die einst im Computer ihren Anfang nahmen

- auch unter uns und in unserem Lebensstil?

Derzeit ziehe ich um, vom Burgenland nach Wien, dabei räume ich meine Mails und SMS auf. Lösche einst Gesagtes und entdecke: wir schreiben, auch so neu Geschichte, Lebensgeschichte, löschbar, vergänglich, anders als früher, keine Briefe kein Tagebuch.  Leichte Notizen, Spuren der Wirklichkeit  - gespeichert auf Zeit?

Mails und SMS -neue Kurzformen, die im Dialog entstehen -  hier und da sogar eine neue Form der Poesie  -  vielleicht...

 

Nein ich will das nun schon fast in die Jahre kommende Handy nicht verteufeln.

Seit ich Pfarrerin in Österreich bin, bin ich stolze Besitzerin eines Diensthandys. Die evangelische Kirche hat ihre Mitarbeiter vernetzt.

Die Wege sind damit  kürzer geworden. Die Kommunikation untereinander wird gefördert.

Ja, Ich genieße diese neue freie und leichte Art des miteinander Redens

Aber  ich spüre auch dies. Ein Handy verleitet zum Plaudern, zur Kommunikation um der Kommunikation willen.

Ich glaube schon, es verändert unsern Stil, miteinander zu reden und wahrscheinlich auch unsere Art zu erleben. Schnell sind wir dabei uns mitzuteilen. Die Dinge, wie es in der Bibel heißt „in unserem Herzen zu bewegen“, wird uns durch diese elektronischen Spielarten des Smalltalks vielleicht zunehmend fremd.

 

Wenn es gut käme, und auch so möchte ich diese neue Form der Kommunikation verstehen, dann entstünde, dann entsteht schon, über die Handy- und Mailkultur eine neue Form der sozialen Kommunikation. Dann sind auch alte Menschen demnächst im Netz und Unfälle noch schneller erreichbar.

Wenn es gut käme, dann entstünde über die Handy- und Mailkultur eine neue Form der Seelsorge, auch untereinander. Ein auf den anderen hören.