Das Evangelische WortSonntag, 07. 11. 2004, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Pfarrer
Rainer Gottas „Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs …“ Dieser
Satz zieht sich wie ein roter Faden durch die amerikanische Filmkomödie
„Die Blues Brothers“. Zwei
Brüder sind „im Auftrag des Herrn unterwegs …“, um Geld für
ein katholisches Waisenhaus zu beschaffen. Dazu rufen sie ihre alte
Blues-Band für ein Benefiz-Konzert zusammen und geraten in alle möglichen
Schwierigkeiten. Und wann immer sie vor einem Problem stehen, haben
sie diesen Satz zur Hand, der ihr Handeln rechtfertigt und ihnen Mut
macht: „Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs …“ Seit
dem 11. September 2001 ist dieses Zitat aus den „Blues Brothers“
mehr und mehr Realität geworden. Das Motto des Films scheint im
gegenwärtigen Selbstverständnis vieler Menschen in Amerika seine
Fortsetzung zu finden. „Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs
…“ – Politiker tragen ihren persönlichen Glauben auf dem
Silbertablett vor sich her. Und
dieser Glaube geht eine seltsame Allianz mit dem Nationalgefühl ein
- in Zeiten, wo die Nation von äußeren Feinden und Terroristen
bedroht erscheint. Wo
Angst und Furcht an die Stelle von Trost und Sicherheit getreten
sind, wird die Botschaft getrommelt: „Wir sind im Auftrag des
Herrn unterwegs …“ Amerika
- das erwählte Land, der Träger einer Mission, eines göttlichen
Auftrags. „Wir sind die Guten und stehen im Kampf gegen das Böse
da draußen … Gott ist auf unserer Seite und der Präsident ist
der Mann der Vorsehung“. Für manche Menschen ist er ein Prophet
und wer gegen den Präsidenten ist – so scheint es manchmal - der
ist gegen Gott. Der Präsident formuliert göttliche Wünsche für
die amerikanische Nation und die ganze Welt. Er beurteilt die
politische Tagesordnung nach seinen religiösen Maßstäben und
kleidet alles in nationales Pathos. „Wir
sind im Auftrag des Herrn unterwegs …“ In einem Land, wo fast
jeder zweite ein neu bekehrter, wiedergeborener Christ ist, sind
solche Töne in unsicheren Zeiten sichtlich willkommen und eine
deutliche Mehrheit hat sich am vergangenen Dienstag dieser Sicht der
Dinge angeschlossen … Als
Mitteleuropäer, der Geschichte gelernt hat und vor Augen hat, was
im Namen Gottes schon alles getan und gerechtfertigt wurde, habe ich
meine Schwierigkeiten mit diesem tiefen Griff in die „Gott-und-Nation“-Kiste.
Diese Mischung von Religion und Politik, ist mir fremd. Auch die
Vorstellung von einer göttlichen Hand, die bevorzugt die Geschicke
einer Nation lenkt. Das erscheint mir als ein Missbrauch des Namens
Gottes. „…
im Auftrag des Herrn unterwegs …“ Ich
glaube daran, dass auch ich „im Auftrag des Herrn unterwegs“ bin
…“ – allerdings unterscheidet sich meine Auffassung von diesem
Auftrag grundlegend von der offenkundigen Sichtweise mancher
Amerikaner. Jesus hat uns sein Gebot der Nächstenliebe
hinterlassen. Er hat uns den Auftrag gegeben, hinzugehen und allen Völkern
die frohe Botschaft von Gott zu bringen: Gott nimmt jeden Menschen
ohne Vorbedingung an. Diese Mission richtet sich an alle Menschen
und ihr nachzukommen, kann und will ich nicht einer bestimmen Nation
überlassen. Bei
vielen ehemaligen amerikanischen Präsidenten sehe ich eine andere
Haltung. Sie haben sich nicht als Männer der Vorsehung gesehen,
sondern sind als Bittsteller vor Gott getreten. Im Wissen um ihre
große Verantwortung haben sie Gott um seinen Segen und seine Führung
gebeten und zu ihm gebetet. Und
in diesem Sinn möchte auch ich „im Auftrag des Herrn unterwegs“
sein.
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