Das Evangelische Wort

Sonntag, 02. 01. 2005,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Superintendentin Mag. Luise Müller

 

Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Lukas 22, 32

 

Normalerweise denken wir in diesen Tagen um den Jahreswechsel über das neue Jahr nach. Wir fassen gute Vorsätze, machen Pläne, sind voller Hoffnung und in der angenehmen Rückschau auf ein paar entspannte Weihnachtstage. Ich habe die Worte des Weihnachtsevangeliums noch im Ohr: „Und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Ich habe sie selber vorgelesen aus dem Lukasevangelium und so viele Menschen wie schon seit Jahren nicht mehr haben sie gehört. Die Kirche war übervoll, sie standen selbst im Vorraum der Kirche dicht gedrängt. Menschen, hungrig nach guten Worten, auffallend viele Junge.

 

Sehr schnell sind in der vergangenen Woche die inneren Bilder des Friedens durch die äußeren Bilder der Katastrophe verdrängt worden.

Alles ist heuer anders. Das sintflutartige Seebeben in Südostasien wirft Pläne über den Haufen und lässt fragen, welchen Sinn Vorsätze haben angesichts solcher Naturgewalten. Millionen sind betroffen. Vor allem die Einheimischen aber auch Menschen aus der ganzen Welt, weil so viele diese asiatische Region als Urlaubsparadies schätzten. Innerhalb kürzester Zeit wurde aus dem Paradies die Hölle. Zu den von den Wassermassen einfach Fortgespülten kommen die, die später an Verletzungen und an Seuchen sterben. Die Überlebenden, denen ihre Lebensgrundlagen entzogen sind und die, die um Angehörige trauern. Da sind die vielen Vermissten, von denen keiner weiß, wo sie geblieben sind.

Dass wir jenseits von Eden leben, zeigen uns die Berichte, die uns auf allen Kanälen ins Haus geliefert werden. Bilder, die Assoziationen an die biblische Sintflutgeschichte wecken. Opferzahlen werden ständig nach oben korrigiert. Hilfe aus der ganzen Welt aber auch Hilflosigkeit konzentriert sich in den Unglücksgebieten. Sprachlose, unfassbare Trauer um unzählige nahe und ferne Menschen. Und auf der anderen Seite der oft hoffnungslose Versuch, Worte zu finden, die das Unsagbare, das Leid ausdrücken können.

 

Im Raum steht auch die Frage nach Gott. Wo war er, als die Wassermassen hereinbrachen? Warum hat er das zugelassen? Es wühlt uns auf und nährt unsere Zweifel. Existiert Gott überhaupt? Oder geht mein Glaube ins Leere? Viele von uns haben Gott aus den Augen verloren in diesen Tagen. Sind bestenfalls noch in der Lage nach ihm zu rufen, zu schreien: Gott, verlass mich nicht. Kyrie eleison.

Was danach kommt ist die trotzige Hoffnung, dass er sich uns wieder nähert, unsere Zweifel beendet, unseren Glauben stärkt, unsere Zuversicht ist. Der, der uns Kraft gibt zu trösten, zu helfen, zu heilen.

 

Die evangelischen Christen haben die gute Tradition der Jahreslosung: Ein Wort aus der Bibel wird Leitmotiv für ein Jahr. Fürs Jahr 2005 ist es ein Satz, den Jesus zu seinem Jünger Petrus sagt: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“

Diesen Satz nehme ich heute auch für mich in Anspruch, in der Hoffnung, dass Jesus damit nicht nur den Petrus sondern alle seine Jüngerinnen und Jünger gemeint hat. Auch Sie und mich. Dann, wenn, unser Glaube klein und kleiner wird, dann, wenn wir am Ende sind, ist dieser Satz ermutigend: Jesus Christus gibt uns nicht auf, er betet, dass unser Glaube nicht aufhöre.

Mir tut dieser Satz gut. Ich fasse Mut, Gott um Erbarmen zu bitten, mich aus meiner Hilflosigkeit herauszuführen und das Meine zu tun. Heute und alle Tage dieses Jahres.