Das Evangelische Wort

Sonntag, 23. 01. 2005,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

„Trotz allem feiern“

von Pfarrerin Christine Hubka (Wien)

 

Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und zu Tisch saß, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen  und das Geld den Armen geben können. Und sie fuhren sie an. (Mk 14,1f)

 

Spinat war für mich als Kind etwas, was ich kaum hinunterwürgen konnte. Vielen anderen Kindern in meiner Umgebung ist es ähnlich gegangen. Soweit ich mich erinnern kann, haben die Erwachsenen, wenn wir wieder einmal das Gesicht verzogen haben oder das Essen verweigert haben, immer gesagt: „Die vielen hungrigen Kinder in der Welt, in Indien, in Afrika, die wären froh, wenn sie so einen Teller voll Spinat kriegen würden.“ Gewöhnlich endete diese Rede mit der Aufforderung: „Also iss jetzt endlich… oder….“

 

Das drohende „Oder“ hatte regelmäßig die Wirkung, dass ich nicht nur den Spinat hinuntergeschluckt habe, sondern auch den Vorschlag, meinen Spinat diesen armen, hungrigen, sehnsüchtig auf Spinat wartenden, Kindern doch zu schicken und mich damit in Ruh zu lassen.

 

Die Armen und die Hungernden scheinen sich überhaupt gut als Druckmittel und Argumentationshilfe zu eignen. Da drückt eine Frau ihre Liebe und Verehrung für Jesus in einer ganz zarten und intimen Weise aus: Sie schenkt ihm eine Massage mit kostbarem Salböl. Dreihundert Silbergroschen – einen ganzen Jahreslohn eines Arbeiters - hat es gekostet! Und schon kommt das Argument: „Was für eine Verschwendung. Wie vielen Bettlern auf der Straße, die ihre Hand aufhalten, um – nein, nicht einen Silbergroschen – sondern um einen Bruchteil davon zu erbitten, hätte man für diese 300 Silbergoschen Essen geben können. Was für ein unnötiger, was für ein schändlicher Luxus!“

Und wie steht Jesus dazu? Was sagt denn er zu dieser Art von Vergeudung? Er, der sich so für die Armen einsetzt. Er, der den Hungrigen Brot gibt, die Kranken heilt. Er, der für die Bedürftigen nicht nur Verständnis hat sondern mit Rat und Tat für sie da ist. Er sagt zu dieser Verschwendung von möglichen Spendengeldern: Lasst die Frau  in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.

Denn Arme habt ihr allezeit bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun.

 

Zähne zusammenbeißen und verzichten – das ist nicht die Weise, wie Jesus geholfen hat. Und nirgendwo steht in der Bibel, dass man mit knurrendem Magen und verkniffenen Lippen helfen muss. Nirgendwo steht als Bedingung für richtiges Helfen, dass ich selber ein freudloses Dasein führen muss.

 

Arme habt ihr allezeit bei euch…

Das ist leider wahr. Und es kann einem schon das Lachen vergehen, wenn man hinschaut und hinhört und hinfühlt. Aber keinem geht es besser, wenn ich aufhöre zu feiern. Keiner hat was davon, wenn ich das, was ich habe, nicht genieße. Kein trauernder Mensch atmet auf, weil ich mir das Lachen verbeiße. Kein Hungernder wird satt, wenn ich mir die Freude am Essen nicht mehr erlaube.

 

Wer feiert und lacht, wer singt und tanzt, der erlebt sich als beschenkt und glücklich. Teilen und helfen soll nur der, der sich gesegnet weiß mit allem, was er zum Leben braucht. In der Bibel wird niemandem zugemutet, dass er teilen und geben soll, wenn er selber Mangel leidet.

 

So gesehen, sollten wir gerade in diesem Fasching ganz besonders viel tanzen und feiern. Und am nächsten Tag als Beschenkte und Gesegnete hingehen und für die Armen geben, die ja allezeit unter uns und um uns sind in der Nähe und in der Ferne. Und wer beim Ausfüllen des Erlagscheines fröhlich vor sich hin pfeift, der hat Jesus besser verstanden, als die, die sich über die lustvolle Verschwendung dieser Frau empört haben.