Das Evangelische WortSonntag, 30. 01. 2005, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von
Pfarrer Dr. Christoph Weist „Erbitterter Streit um Mosis Erbe“ war dieser Tage als Schlagzeile in einem Boulevardblatt zu lesen. Keine Angst, ich will mich auf die näheren Umstände des spektakulären Falls des ermordeten Modezaren Rudolph Moshammer nicht auch noch einlassen, nicht auf seine Zusammenarbeit mit der Diakonie, nicht auf sein prunkvolles evangelisches Begräbnis. Aber als mein Blick auf diese Schriftbalken fiel, dachte ich nur: Wie sollte es anders sein? Warum sollte nicht auch hier ein „letzter Wille“ zu Zank und Streit führen? Oft geht es ja um viel mehr als nur um die Frage, ob ein Chauffeur und
ein kleines Hündchen weiter in einer Villa wohnen dürfen oder
wollen. Es geht - und das wird auch in diesem Fall kaum ausbleiben -
ums pure Geld. Es geht beim Erben um Vermögenswerte, egal ob diese
klein oder groß sind, gleichgültig, ob es sich um ein schmales
Pensionistensparbuch handelt oder um dicke Beteiligungen an einem
Firmenimperium. Und irgendwann einmal betrifft das jeden und jede.
Dann aber passiert es: Die friedlichsten und vernünftigsten Frauen
und Männer werden zu kampfbereiten Terminatoren, die keinen
Konflikt scheuen, um das zu erreichen, was sie für ihr gutes Recht
halten: „Wer hat den Vater gepflegt all die Jahre?“ - „Ich hab
einen rechtlichen Anspruch!“ – „Das Testament ist
erschlichen!“ und so weiter und so fort. „Dies ist der Erbe, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein!“ So rufen in einem Gleichnis Jesu die Pächter eines Weingartens, als sie den Sohn des Weingartenbesitzers kommen sehen (Mk 12,7). Die Gleichnisgeschichte will eigentlich auf etwas anderes hinaus. Aber ich denke, damit ist – so ganz nebenbei - die ganze Problematik des Vererbens und Erbens in unvergleichlicher Weise auf den Punkt gebracht, wenn auch auf einen brutalen. Es ist Neid und es ist Habgier, die sich oft wie ein schwarzer Schatten
über das Andenken lieber und wertvoller Menschen legen. Die oft rücksichtslos
alle Pietät unter sich begraben, alle Ehrfurcht vor einem erfüllten
Leben und allen Dank, den man darüber empfinden kann. Mit Recht
wird – auch in dieser Sendung - immer wieder die Habsucht
kritisiert, die hinter der so genannten „Globalisierung“ steckt.
Es ist dieselbe Habsucht, nur nicht weltweit, sondern
von Mensch zu Mensch, die ganz im Kleinen bei
Erbstreitigkeiten die einfachsten Regeln menschlichen Zusammenlebens
vergessen lässt. Und die den Alltag zur Hölle machen kann. Ich weiß nicht, wie erbittert der Streit um das Erbe des unglücklichen
Rudolph Moshammer wirklich geführt wird. Man wird darüber wohl
noch mehr hören. Und wahrscheinlich hat sich der Freund der Münchner
Obdachlosen auch etwas Besseres verdient, als so am Boulevard
zerrissen zu werden. Aber dieser dramatische und vieldiskutierte Tod
mit seinen Folgen stellt laut die Frage: Lohnt sich das alles
wirklich? Steht es dafür, dass Erbschaften Familien zerstören,
Freundschaften zerbrechen und jede Menge Anlass für Aggression und
Hass bieten? Es geht ums Geld, nur ums Geld, aber Geld ist nicht
alles. Das ist nicht leicht gesagt, sondern es ist zutiefst wahr. Es
könnte sonst sein, dass Menschen ein Erbe verlieren, das wertvoller
ist als alles Geld, das sie jemals erben könnten: das Wissen darum,
dass sie ein Bild Gottes sind.
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