Das Evangelische WortSonntag, 20. 02. 2005, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von
Pfarrer Peter Pröglhöf, Salzburg Vor
ein paar Tagen fragt mich mein Zahnarzt, als ich eigentlich schon im
Weggehen bin: “Und, was macht PISA?” Ist ja schon interessant,
denke ich mir: Wenn man heute jemanden trifft, der irgendwie in der
Schulaufsicht arbeitet, denkt man als erstes an die PISA -Studie.
Selbst wenn der Jemand nur ein Religionsinspektor ist, der ja nicht
gerade viel mit PISA zu
tun hat. Mit
der PISA-Studie selbst habe ich zwar nicht viel zu tun, aber die
Folgen, die sie ausgelöst hat, betreffen mich, und wahrscheinlich
betreffen sie die meisten von uns. Denn jetzt geht es um eine Reform
der Schule, und die Schule geht sehr viele Erwachsenen ganz persönlich
an, weil ihre eigenen Kinder oder Enkel dorthin gehen. So
selbstverständlich das scheint, es erfordert doch eigentlich sehr
viel Vertrauen: Ich überlasse mein Kind die Hälfte eines Tages
anderen Menschen, den Lehrerinnen und Lehrern, der Institution
Schule, und mit Lernen und Hausübungen und vielem anderen prägt
die Schule auch den übrigen Alltag der Kinder und Jugendlichen. Es
ist also kein Wunder, dass der “Reformdialog Bildung”, zu dem
die Bundesregierung letzten Montag eingeladen hat, große Beachtung
gefunden hat. Die Schule ist ein ganz wichtiger Lebensbereich,
sowohl für die Gegenwart unserer Kinder, als auch für ihre
Zukunft. Wir wünschen uns, dass es ihnen jetzt gut geht dort, und
wir wünschen uns, dass sie in der Schule Grundlegendes für ihr späteres
Leben lernen. Für die Gegenwart und die Zukunft unserer Kinder muss
uns die Schule viel wert sein. “Weisheit
übertrifft die Perlen an Wert, keine kostbaren Steine kommen ihr
gleich.” Diesen Vers aus dem 8. Kapitel des Buches der Sprüche
(oder der Sprichwörter, wie es auch heißt) haben die Kirchen der
Ökumene über das Kapitel “Bildung” in ihrem gemeinsamen
Sozialwort gesetzt. Weisheit übertrifft die Perlen an Wert - es
geht nicht nur um Ausbildung, nicht nur um Wissen, nicht nur um
Wettbewerbsfähigkeit, sondern es geht um Weisheit: Das sollte auch
bei der Reformdiskussion über das Schulwesen im Blick bleiben.
Bildung soll den Menschen helfen, Zugänge zu einem gelingenden
Leben zu finden. Weisheit überliefert solche Zugänge zu einem
gelingenden Leben. Freilich kann die Schule allein solche Weisheit
nicht vermitteln. Aber die Schule sollte sich dessen bewusst sein,
dass sie ein Teil der Vermittlung von Weisheit ist. Die Kirchen
werden diesen Gesichtspunkt immer wieder in den Reformdialog Bildung
einbringen, besonders die Evangelische Kirche, weil sie mit dem
Anliegen der Bildung, Menschen mündig und selbständig zu machen,
von Anfang an auf das Engste verknüpft war. Der
Reformdialog Bildung hat schon viele interessante Vorschläge und
einige Ergebnisse gebracht. Das ist erfreulich und wir sollten
weiter beobachten, was aus ihnen wird, wenn das erste
Medieninteresse abgeflaut ist. So bleibt abzuwarten, ob die
Aufhebung des Erfordernisses einer Zweidrittelmehrheit für
Schulgesetze wirklich Fortschritte im Interesse der Kinder und
Jugendlichen bringt, oder die Durchsetzung ganz anderer Interessen
erleichtert. Denn es ist ja falsch, dass die bisherige gesetzliche
Regelung keine Reformen im Schulwesen ermöglicht hat. Keine Schule
und keine Lehrkraft arbeitet heute noch so wie vor 40 Jahren.
Auch
die Verpflichtung für Zuwandererkinder und ihre Mütter, besser und
früher Deutsch zu lernen, kann viel Gutes für ihre Integration
bringen, wenn sie nicht auf Kosten des muttersprachlichen
Unterrichts geht. Dieses Angebot, dass Kinder aus anderen Ländern
einen zusätzlichen Unterricht in ihrer Muttersprache bekommen, ist
sowohl für ihre Identität, als auch für ihre Fähigkeit, Deutsch
zu lernen, sehr wichtig. “Weisheit
übertrifft die Perlen an Wert, keine kostbaren Steine kommen ihr
gleich.” Helfen wir mit - als Eltern, als Lehrerinnen und Lehrer,
aber auch als Kirche -, dass der begonnene Gesprächsprozess in
unserem Land weise geführt wird, damit Leben gelingen kann.
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