Das Evangelische Wort

Sonntag, 20. 03. 2005,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Landessuperintendent Wolfram Neumann, Pfarrer in Dornbirn

 

 

„Fürchte Dich nicht, sondern rede und schweige nicht!“  

 

Palmsonntag ist heute, am nächsten Sonntag ist schon Ostern. Für Christen eine ereignisreiche Woche, ja eigentlich die entscheidendste Woche in der Weltgeschichte.  Schließlich wurde in dieser Woche der Grundstein gelegt für den christlichen Glauben, der sich dann durch die verschiedensten Kirchen und Gemeinschaften über die ganze Welt verbreitet hat.

 

Für einige hat diese Woche mit ihren verschiedenen Schwerpunkten, wie Gründonnerstag oder Karfreitag tatsächlich eine große Bedeutung und sie gehen in die Gottesdienste, feiern das Abendmahl und lassen sich beeindrucken von der eigenartigen Art des Jesus von Nazareth, Liebe zu Gott und den Menschen auf einen Nenner zu bringen.

 

Für viele ist diese Woche immerhin so wichtig, dass sie in ihr dem lieben Gott und dem Pfarrer oder der Pfarrerin ihre Jahresaufwartung machen. Mit einer Regelmäßigkeit, da kann die Eisenbahn drüber fahren.

 

Für die christliche Mehrheit allerdings, wie auch für die wachsende Zahl der bekennenden Nichtchristen ist in Bezug auf die Karwoche nur von Bedeutung, wohin man auf Urlaub fährt -, nochmals zum Skilaufen in die Berge oder schon Sonnenbaden in den Süden, aber auch  das Feiertagsmenü und der Osterbesuch müssen wohl überlegt werden.

 

Sie wissen ja, was einem wichtig ist, davon redet man gern. Zum Beispiel nach Ostern von den Tagen in Tirol, vom Wetter, der Gaudi und dem Essen, sowie neuen Bekannten, oder von Madeira und seinen Blumen bzw. von Mallorca und den Preisen. Oder wie man auch immer die Tage gut verbracht hat.

 

Nur bei denen, die in der Woche ehrlich gern in den Gottesdienst gehen, ist das anders. Oder haben Sie es schon ´mal erlebt, dass jemand nach Ostern begeistert vom Karfreitagsgottesdienst erzählt hat, oder vom Gottesdienst am Ostersonntag, dass er  endlich begriffen habe, was mit Liebe im Sinne Jesu gemeint ist, nämlich kein, wie viele meinen, süßliches Gefasel mit frommen Augenaufschlag, sondern   offener und durchaus auch mühevoller Einsatz für Menschen, die Hilfe brauchen, materielle wie geistliche. Oder hat ihnen schon einmal jemand erzählt, dass er im Gottesdienst ein großartiges Gebet gehört hat, dass ihn in seiner einfachen Sprache und durch seine tiefen Gedanken wirklich bewegt hat?  Oder hat ihnen schon mal jemand strahlend von einem Abendmahlsgottesdienst vorgeschwärmt, bei er endlich erfahren habe, was Gemeinschaft bedeutet?

 

Ich nehme an, so etwas ist ihnen bisher noch nie passiert, und sie würden eigentlich auch darauf verzichten. Denn Religion und Glaube ist ja Privatsache.

 

Glaube ist Privatsache, diese Behauptung beschreibt zwar punktgenau den Ist-Zustand der heutigen Normalchristen, verfehlt aber die Art Jesu ganz und gar. Er ist in aller Öffentlichkeit aufgetreten. Missstände hat er angeprangert, Heuchelei gegeißelt. Er hat eine schon Verurteilte vor der Steinigung gerettet und den uralten Grundsatz vom Recht des Stärkeren auf den Kopf gestellt. Er hat gerade das, was die Damaligen im Geheimen gehalten hätten, ins Licht gezerrt. Sicher das hat ihm das Leben gekostet, aber die Auferstehung gebracht.

 

 Woran er sich selbst gehalten hat, das hat er dem Apostel Paulus weitergegeben: „Fürchte Dich nicht, sondern rede und schweige nicht!“