Das Evangelische Wort

Sonntag, 15. 05. 2005,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Dr. Christoph Weist

 

 

Das sind Worte eines alten Liedes:

 

Du, Herr, hast selbst in Händen

die ganze weite Welt,

kannst Menschenherzen wenden,

wie es dir wohlgefällt;

so gib auch deine Gnad

zu Fried und Liebesbanden,

verknüpf in allen Landen,

was sich getrennet hat.

Erhebe dich und steure

dem Herzleid auf der Erd,

bring wieder und erneure

die Wohlfahrt deiner Herd.

Lass blühen wie zuvor

die Länder, so verheeret,

die Kirchen, so zerstöret

durch Krieg und Feuerszorn.

 

Wie gesagt, das sind alte Worte, Worte aus einem Pfingstlied, entstanden wohl gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges. Dem Dichter, dem in kleinen Verhältnissen lebenden Pfarrer Paul Gerhardt, sind  Worte von globaler Gültigkeit gelungen. Noch heute klingt das alles nur zu aktuell: die „Menschenherzen“ in der „ganzen weiten Welt“, das Getrennte „in allen Landen“, das „Herzleid auf der Erd“.

 

In dem Lied werden der Heilige Geist und dann auch Gott selbst herbei gebeten und zur Hilfe gerufen. Zu Hilfe gerufen gegen den Krieg in einem weltweiten Sinn. Und sehr realistisch wird festgehalten, was Krieg bedeutet: Krieg ist schrecklich  - und den „sauberen Krieg“ gibt es nicht. Trotz Haager Landkriegsordnung, trotz Genfer Abkommen, trotz soldatischem Ehrenkodex.

 

Krieg besteht aus Angst, aus nackter Angst. Und gleichzeitig kommen Hass und tiefe Verachtung anderen Menschen gegenüber auf. Zwangsläufig führt das zu dem, was man „Gräuel“ oder „Kriegsverbrechen“ nennt. Das war so im Dreißigjährigen Krieg, im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg, und das gilt für alle heutigen Kriege, ob sie erklärt wurden oder nicht. Und es gilt für Soldatinnen und Soldaten, die, wenn man sie für ihre Verbrechen endlich zur Rechenschaft zieht, nur mehr „Yes, Sir“ stammeln können und sich auf ihre eigene Einfalt herausreden. Da ist es gleichgültig, ob man, wie eine Lynndie England aus einer armen Wohnwagensiedlung kommt oder wie ihr Freund, der Militärpolizist, aus wohlsituiert-bürgerlicher Familie. Oder ob man als Frau oder Mann gar den Generalsrängen angehört. Und oft genug sind es auch Zivilisten, die hinter oder neben dem offenkundigen Kriegsgeschehen Hass verbreiten.

 

Krieg  - das heißt niemals etwas anderes als erlittenes „Herzleid“ und verheerte Länder. Dass Kriege nicht zum Frieden und schon gar nicht zu Gerechtigkeit führen können, wissen Historiker längst. Ziele, die angeblich nur durch Krieg zu erreichen sind, sind allein schon deshalb fragwürdig.

 

Es stimmt: Der Heilige Geist hat die Kriege bisher nicht verhindert. Aber er wird dort spürbar, wo um das „Herzleid“ der Menschen gewusst wird und wo gegen das noch immer beliebte „Verheeren“ ganzer Länder aufgeschrieen wird. Der Heilige Geist zeigt sich dort, wo das „Niemals wieder!“, das die Generation nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt hat und das heute in Vergessenheit zu geraten scheint, noch immer buchstäblich ernst genommen wird. Und wo dieses „Niemals wieder!“ weltweit entschieden geltend gemacht wird. Und sei es durch besorgte Politiker, die sich von anderen als „das alte Europa“ verhöhnen lassen müssen.

 

Christen und Christinnen glauben, dass es der Heilige Geist, der Geist Gottes, ist, der auch moderne Menschen zur Einsicht bringen kann. Zur Einsicht darüber, was Krieg bedeutet. Und deswegen beten sie am heutigen Pfingstfest auch dafür, dass der Gott, der die ganze weite Welt in Händen hat, die Herzen der Menschen zum Frieden wendet.