Das Evangelische WortSonntag, 14. 08. 2005, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von
Diakon Michael Kamauf ”...Niemand verachte dich wegen deiner Jugend!”
so schreibt Paulus an Timotheus, seinem jugendlichen Begleiter auf
dem Weg durch die Welt. Wolfgang
Ambros sang einmal: ”Die
Jugend hat kein Ideal, keinen Sinn für die wahren Werte, den jungen
Leuten geht’s zu gut, sie kennen keine Härte…” So
zitierte er ironisch die Vorurteile des Establishments. ”...niemand verachte dich wegen deiner Jugend!” So
schreibt Paulus und er schreibt weiter: ”Sei allen ein
Beispiel”. Paulus traut diesem jungen Mann also einiges zu.
Timotheus, der Begleiter und Schüler des Paulus wird also
offensichtlich nicht immer ernst genommen, weil er – in den Augen
mancher Leute - zu jung ist. Er kämpft mit Vorurteilen über seine
”Reife”. Man traut ihm die erfolgreiche ”Vertretung des
Paulus” nicht zu. Dabei
ist die misstrauische Reaktion der Menschen gar nicht weiter ungewöhnlich.
Der wertschätzende Umgang mit der jungen Generation hat keine allzu
lange Kultur. Noch im 19. Jahrhundert war der Struwwelpeter ein
bekanntes und weit verbreitetes illustriertes Erziehungshandbuch. Da
sind bemerkenswerte Geschichten drin, wie die folgende vom Konrad: ”Konrad sprach die Frau Mama, ich geh fort und du
bleibst da, sei hübsch ordentlich und fromm, bis nach Haus ich
wieder komm, und vor allem Konrad hör, lutsche nicht am Daumen
mehr, denn der Schneider mit der Scher kommt sonst ganz geschwind
daher und die Daumen schneidet er ab als ob Papier es wär.” Konrad
kann dem Daumenlutschen nicht widerstehen und wenn er schon
erwachsen wäre würden ihn die Leute höchstens schief anschauen
und hinter seinem Rücken tuscheln. Aber weil er noch Kind ist
gelten andere Maßstäbe, viel härtere als sonst in der Welt der
Erwachsenen. Kinder
und Jugendliche als eigenständige Mitglieder der Gesellschaft und
nicht nur kleine Erwachsene, die zu gehorchen haben: Das ist eine
relativ neue Erkenntnis in unserer westlichen Gesellschaft. Wer
traut Jugendlichen wirklich Verantwortung zu, ohne sie bloß zu
Konsumenten zu reduzieren? Junge Leute als kaufkräftige Elemente
der Konsumgesellschaft sind gerade für die Mode- und
Unterhaltungsindustrie unverzichtbar. Wenn es um das Geld geht kann
der Konsumenten gar nicht jung genug sein. Geld kann gar nicht jung
genug sein! Kinder
und Jugendliche brauchen Freiräume und Orte der Kreativität.
Kinder und Jugendliche brauchen auch erwachsene Menschen, die ihre
Sprache sprechen und sie verstehen WOLLEN. Paulus
traut Timotheus etwas zu, unter anderem den nicht immer ganz
leichten Umgang mit brennenden sozialen Fragen in der Gemeinde.
Paulus begibt sich ganz bewusst in eine Risikosituation, denn Timmi
könnte ja auch scheitern. Doch Paulus geht das Risiko
vertrauensvoll ein. Er einbeschreibt Timotheos sogar als ”seinen
Sohn”. Paulus weiß wohl auch, dass das ganze Leben ”Risiko”
ist. Das nenne ich Vertrauen! Vertrauen in die Kreativität des jung
Seins, Vertrauen in die Kraft der Jugend, Vertrauen und Wertschätzung. ”Niemand
verachte die Jugend” Ich
finde es faszinierend, dass Jesus schon die Kinder in die Mitte des
Lebens stellt. Und dass dann auch Paulus gerade den jungen Timotheus
aufbaut. Paulus weiß, dass sein Schützling die Anforderungen des
Lebens nicht alleine bewältigen muss. Denn Christus hilft und
begleitet ihn: ”Mein Sohn, werde stark durch die Gnade, die dir durch Jesus Christus
geschenkt ist.” Der
Mensch braucht wohl einen verlässlichen Begleiter auf dem Weg
durchs Leben. Dann können auch junge Leute ihre eigenen Erfahrungen
machen und sie werden nicht ”verachtet” werden. Denn Kinder und
Jugendliche fragen Erwachsene nach dem Sinn des Lebens, wenn sie
Vertrauen erlebt und gelernt haben. ”Niemand verachte dich wegen deiner Jugend.” Geben
wir der Jugend die Chancen, die sie wirklich verdient. Denn Jugend
kann und will Verantwortung übernehmen für sich und für ihre
Zukunft!
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