Das Evangelische Wort

Sonntag, 02. 10. 2005,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

"Albert Schweitzer"

von Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz

 

 

Für ein "Genie der Menschlichkeit" hat ihn Churchill gehalten. Theologe ist er gewesen, virtuoser Organist, Verfasser eines Werkes über Johann Sebastian Bach und einer Orgelbauschule, die heute noch gilt. Und vor allem: "Urwald-doktor" ist er gewesen. Albert Schweitzer.

 

Geboren vor 140 Jahren im Elsass als Sohn eines evangelischen Pfarrers. Nach Studium der Philosophie und Theologie in Straßburg, Paris und Berlin ist er Vikar gewesen in einer Pfarrgemeinde.  Später Dozent an der Universität Straßburg. Für Stefan Zweig ist er "eine einzige und einmalige Vielfalt" gewesen.

Er hat in einem seiner Werke die Geschichte der sogenannten "Leben-Jesu-Forschung" als den gescheiterten Versuch dargestellt, das Leben Jesu im Sinne moderner historischer Forschung zu rekonstruieren. Dieses Unternehmen, begonnen im 19. Jahrhundert, musste scheitern, weil die Quellen über Jesus fast ausschließlich auf das Neue Testament beschränkt sind. Und die Autoren der Evangelien nicht im Sinn hatten, eine Jesusbiografie zu verfassen, sondern als Betroffene ihren Glauben bekennen und weiter geben wollten. Dass Jesus von Nazareth eine historische Persönlichkeit ist, wird heute keiner mehr ernsthaft bezweifeln. Aber das Bild, das wir von ihm haben und uns immer wieder von neuem machen müssen, kann sich nicht an geschichtlichen Daten festmachen und erschöpfen, sondern ist und bleibt das Bild, das sich der - um Wahrheit bemühte - Glaube macht. Es ist somit viel tiefer und umfassender.

 

Albert Schweitzer hat sich besonders in die Bergpredigt vertieft. Als Konsequenz daraus hat er eine Ethik der "Ehrfurcht vor dem Leben" entwickelt.  Nachfolge Christi heißt für ihn Respekt vor der ganzen Schöpfung haben.  "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will", ist eine seiner Kernaussagen.

 

Bis zu seinem 30. Lebensjahr wollte Albert Schweitzer wissenschaftlich tätig sein, danach aber "praktischen Dienst am Menschen" leisten. Da musste er zunächst noch einmal  studieren und zwar Medizin. Während in Europa der 1. Weltkrieg tobte, baute er - gleichsam als Wiedergutmachung für das, was man Afrika in der Zeit des Kolonialismus angetan hat – sein Urwaldspital in Lambarene auf. Und so kennt ihn die Welt bis heute: Den alten Mann mit Tropenhelm und Riesen-Schnauzbart, über ein krankes Kind gebeugt mit schwarzer Hautfarbe und weißen Zähnen, so weiß wie das Laken, in dem es liegt.

 

Als ihm 1953 der Friedensnobelpreis überreicht werden sollte, hat er das Komitee in Oslo mürrisch um Verschiebung des Termins gebeten, weil er nämlich gerade als Zimmermann, Maurer und Dachdecker sehr beschäftigt sei und ein Dorf für 250 Leprakranke fertig bauen müsse. Damals war er gerade erst 78 Jahre alt!

 

Man sollte ihn nicht unterschätzen, den alten Mann mit den charakteristischen Gesichtszügen. Die "Ehrfurcht vor dem Leben" hat ihn getrieben, auch in die politische Debatte hinein. "Die Atombombe ist kein Schicksal und kein Naturereignis, sondern ein schreckliches Spielzeug in der Hand verblödeter Politiker", hat er gemeint. Auch gegen Massentierhaltung hat er gewettert und gegen den Raubbau an der Natur und gegen den Größenwahn in allen seinen Formen.

 

Er war gar nicht so bequem in seiner Zeit. Man kann sich lebhaft vorstellen,

wie er sich heute bei manchen ziemlich unbeliebt machen würde, könnte er etwas sagen über Ozonloch, Gentechnologie und Abfangjäger.

 

Vor 40 Jahren ist er gestorben, 90jährig, in Lambarene. Am Tag davor hat er sich noch mit dem Jeep durch sein Krankenhausdorf fahren lassen und hat sich verabschiedet, von den Patienten, von den Ärzten und den Schwestern - und von den Bäumen im Urwald.