Das Evangelische WortSonntag, 23. 10. 2005, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Pfarrer Roland Ritter-Werneck, Studienleiter
an der Evangelischen Akademie Wien Aus für Bertha von Suttner!
So las ich im vergangenen Sommer in einer
Schlagzeile. Gemeint war das Ende der Umtauschfrist für die alten
1000,- Schillingscheine mit dem Porträt Bertha von Suttners, die
uns in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts
begleiteten.
Aus für Bertha von Suttner? Diese Schlagzeile
irritierte mich. Das Porträt dieser Frau ist heute wahrscheinlich
in mehr Geldbörsen zu finden als damals. Die österreichische
2-Euro-Münze trägt das Bild Bertha von Suttners.
In diesem Jahr ist es genau 100 Jahre her, dass
diese bemerkenswerte Österreicherin als erste Frau den
Friedensnobelpreis erhielt. Sie war eine Frau mit radikalen Ideen. Als
Kriegsberichterstatterin hatte sie die Schrecken des Krieges
zwischen dem damaligen Osmanischen Reich und Russland aus der Nähe
kennen gelernt. Sie wurde zur glühenden Anhängerin der
pazifistischen Bewegung. Auf vielen Konferenzen warnte sie vor den
Gefahren der internationalen Aufrüstung und eines
Vernichtungskrieges. Sie gründete die Deutsche
Friedensgesellschaft, eine humanitäre, politisch unabhängige
Vereinigung gegen den Krieg. Ihr Roman „Die Waffen nieder!“
erregte großes Aufsehen. Als ehemalige Sekretärin von Alfred Nobel
regte sie den schwedischen Industriellen zur Stiftung des
Friedensnobelpreises an, den sie 1905 für Ihr friedenspolitisches
Engagement selbst erhielt. Wenn in den letzten Wochen von den großen Töchtern
Österreichs die Rede war, die im Text unserer Bundeshymne fehlen,
dann gehört Bertha von Suttner sicher dazu. Ich kann mich noch gut
daran erinnern, als mir mein Großvater, der selbst
im 1. Weltkrieg Soldat war, von Bertha von Suttner erzählte:
„Sie hat den Krieg nicht verhindern können, aber sie hat Recht
gehabt. Waffen sind keine Lösung!“
Mein Großvater wusste es aus eigener Erfahrung. Die
Botschaft Bertha von Suttners, die er mir weitergegeben hat, hat
auch mich für mein Leben geprägt. Für viele Menschen ist diese
Frau ein Vorbild geblieben und auch
auf Jüngere kann sie immer noch eine Faszination ausüben. Gerade
in diesem Jubiläumsjahr zeigt sich, dass ihr Einsatz für eine
friedliche Welt Menschen unterschiedlichster Herkunft und
Weltanschauung begeistern kann.
Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich lädt
zusammen mit anderen Organisationen, die sich für den Frieden
engagieren, am 12. November in Wien zu einem Studientag für eine
Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit ein. Das Thema lautet:
Die Waffen nieder!
Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind dazu
eingeladen, an diesem Tag darüber nachzudenken, was das Motto
Bertha von Suttners heute für unser Zusammenleben im Alltag
bedeutet. Gewalt begegnet uns ja nicht nur in der Weltpolitik. Schon
Kinder erleben sehr früh, was Gewalt bedeuten kann – in der
Familie, in der Schule, im Straßenverkehr. Die Erziehung zum
Frieden und gegen Gewalt gehört für mich zu den wichtigsten
Aufgaben von Christinnen und Christen heute. Der verhängnisvolle
Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt ist dem Menschen nicht von
Natur aus vorgegeben. Jede und jeder von uns kann dazu beitragen,
dass er durchbrochen wird. Als einer seiner Anhänger das Schwert zieht, um
Jesus vor seiner Gefangennahme zu schützen, sagt Jesus zu ihm:
Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert zieht, der
soll durchs Schwert umkommen. Die Waffen nieder! Wenn Sie das nächste Mal eine österreichische
2-Euro-Münze in die Hand nehmen, denken Sie an die große Tochter
Österreichs und ihr Motto. Das Aus für Bertha von Suttner ist noch lange nicht
gekommen!
|