Das Evangelische Wort

Sonntag, 06. 11. 2005,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

von Pfarrerin Gabriele Lang-Czedik, Wien

 

„Tod und Auferstehung aus evangelischer Sicht“

 

Grab-Besuch, Grab-Schmuck mitbringen, Gartenarbeit am Grab in den vergangenen Tagen. Fernere und nähere Verwandte liegen in unseren Gräbern.

Bei den einen ist uns das Hingehen gesellschaftliche Verpflichtung, bei den anderen ein inneres Bedürfnis.

Am Grab einer geliebten Person sein bedeutet für viele  von uns: Ihr für eine kurze Zeit wieder näher kommen…

Davor stehen, ein Kerzerl anzünden, für die mitgebrachten Blumen eine Vase suchen, stehen, vielleicht beten;  liebe und zugleich so schmerzliche Erinnerungen an ein Früher, das so nie mehr zurück kommt...

 

Und dann die Frage: Wo sind sie jetzt, unsere Lieben? Hier im Grab?

Oder doch irgendwie noch in ihren früheren Wohnungen?

Oder vor allem  in uns, in allem, was sie uns immer noch bedeuten?

Oder sind sie bei Gott?  In einem unzugänglichen Licht?

 

Oder sind die lieben Toten wiedergeboren und gehen jetzt in einem anderen Körper spazieren?

Wiedergeburt wünschen sich viele heute auch in Europa für sich selbst.

Aber ob es ein gutes Gefühl ist, sich den eigenen geliebten Vater wiedergeboren in einem anderen Körper vorzustellen?


Meine Sache wäre das nicht. Denn mein Vater war für mich ein einmaliger Mensch mit seinem Geist und seinem Körper. 

Ich selber leb´ aus dem Glauben an die Auferstehung.

Ich habe vor dem Tod keine Angst, seit meiner Kindheit nicht.

Natürlich möchte auch ich keine argen Schmerzen haben.

Aber vor dem Sterben und vor dem Tod fürcht´ ich mich nicht.

 

Einfach weil ich zutiefst spür´ und glaube, dass ich in Gott geborgen bin – im Leben und im Tod. Nichts kann mich aus Seiner Hand reißen – weder die Härten im Leben,

die einen manchmal mehr treffen als körperlicher Schmerz.

Noch kann mich der Abschied von dieser Welt aus der Sphäre Gottes schleudern.

Denn wo wäre Gott nicht?

 

Bleib´ ich dann in der Erde, so ist es ja Gottes gute Erde.

Werd´ ich zum Himmel getragen, wie die Gospels es besingen, so wird Gott da sein.

Komm´ ich in eine andere Dimension, so wird es erst recht Gottes Dimension sein.

Was da auch immer kommen mag, es wird gut sein, weil Gott gut ist,

weil Er mir gut ist, weil Er uns allen gut ist.

 

Dabei ist mir auch der Begriff „Auferstehung des Leibes“ wichtig. Keine Sorge, ich bin keine Fundamentalistin. Und ich weiß, wie physikalisch und chemisch mein Körper zerfallen wird. Und dennoch: `Auferstehung unseres Leibes bei Gott´ heißt für mich: Nichts geht verloren.

 

Das Leben hat uns gezeichnet, es hat uns das Aussehen und den Körper gegeben,

der wir jetzt sind. Und genauso sind wir Gott kostbar. Das glaub´ ich fest:

Mit unseren Lachfalten und unseren wehen Knien,

mit unseren Muskeln, die tanzen wollen,

und unseren Tränen, den geweinten und den ungeweinten,

mit unserer weißen oder schwarzen Haut. Genauso mit ihr sind wir geliebt.

Mit den Narben an unserer Seele und mit denen an unserem Körper.

 

Unser Körper ist für mich nicht nur die Maschine, die uns durch´s Leben trägt

und dann achtlos weggeworfen wird.

Nein, unser Körper gehört ganz zu uns, das bin ich selbst, das bist Du selbst.

Auferstehung des Leibes heißt für mich darum:

Gott achtet jeden Menschen mit allem, was zu ihm, zu ihr gehört.

Auch was Menschen einander antun, ist nicht ausgelöscht mit dem Tod.

Sondern auch unsere Wunden werden sichtbar bleiben in Ewigkeit.

Und nur Gott wird sie heilen.