Gedanken für den Tag
17. bis 22. 10. 2001, 6.57 Uhr - 7.00 Uhr
von Abt Burkhard Ellegast
Montag, 17. Dezember 2001
Es ist Advent. Sucht den Herrn solange er sich finden lässt. Das
Hohe Lied ist eine Sammlung von Liebesgedichten im Alten Testament.
Man sah das Verhältnis des Volkes Israel zu seinem Gott und
umgekehrt im Bild einer Liebesbeziehung. In einem der Gedichte
dieses Liedes spricht die Geliebte: "Ich schlief, doch mein
Herz war wach. Horch, mein Geliebter klopft. Und er: "Mach auf,
meine Schwester und Freunde, meine Taube du Makellose, mein Kopf ist
voll Tau, aus meinen Locken tropft die Macht. Und sie: "Ich
habe mein Kleid schon abgelegt. Soll ich es wieder anziehen? Die
Füße habe ich gewaschen. Soll ich sie wieder beschmutzen?" Da
steckte mein Geliebter die Hand durch die Luke. Da bebte mein Herz
ihm entgegen, ich stand auf meinem Geliebten zu öffnen. Da tropften
mein Hände von Myrre am Griff des Riegels. Ich öffnete meinem
Geliebten, doch der Geliebte war weg. Verschwunden. Mir stockte der
Atem, er war weg, ich suchte ihn und fand ihn nicht. Ich rief ihn,
er antwortete nicht. Lange musste sie suchen, bis sie ihn fand und
ihr bewusst wurde, meinem Geliebten gehöre ich und mir gehört der
Geliebte.
Ist es nicht ein sehr starkes Bild unseres Lebens mit Gott? Wir
wissen vielfach von Gott. Spüren ihn ganz tief in uns. Er wirbt um
uns. Nicht laut und nicht schreiend. Und wir haben hunderttausend
Dinge die vordergründig wichtig sind. Ich habe mein Kleid schon
ausgezogen, meine Füße schon gewaschen. Dann wieder gibt es
Augenblicke wo wir ihm entgegengehen wollen, wo wir offen sind, wo
wir ihn wirklich suchen. Sooft finden wir dann nicht, antwort er
nicht: "Wo bist du Gott?" Wenn wir Gott so oft nicht
spüren und erfahren liegt es nicht daran, dass er für uns nur dann
da ist, wenn wir entsprechend gestimmt sind, oder ihn brauchen.
Eines ist sicher, Gott ist nicht ein Besitz über den wir verfügen
können. Er lässt sich jedoch finden, wenn wir nicht aufhören zu
suchen.
Dienstag, 18.Dezember 2001
Es ist Advent. Suchet den Herrn solange er sich finden lässt. In
der Genesis lesen wir die Erzählung vom Turmbau zu Babel. Wir
wollen einen Turm bauen, der zum Himmel ragt. Diese Erzählung ist
ein Bild dafür, wohin es führt wenn der Mensch seine Grenzen nicht
mehr sieht. Es gibt in aller Welt eine Reihe solcher Türme, die der
Mensch errichtet und dabei seine Grenzen nicht mehr beachtet. Ob es
die Atomenergie ist, oder biologische Waffen oder die Möglichkeiten
einer Gentechnik. Nicht nur die Türme von Manhattan können
einstürzen. Als Folge des Turmbaues wird die Sprachenverwirrung
genannt. Die Menschen verstanden einander nicht mehr. Wir reden die
gleiche Sprache, es gibt Dolmetscher uns Simultananlagen, und doch
reden wir so oft aneinander vorbei, hören nicht auf das was der
andere sagt. Wir haben unsere vorgefassten Meinungen, die mit jenen
der anderen nicht übereinstimmen. Man hört nicht zu, versucht gar
nicht zu verstehen, weil der eigene Standpunkt schon von vornherein
klar festliegt. So ist es vielfach in der Familie, zwischen Jung und
Alt, im öffentlichen Leben zwischen den Parteien,
Interessensgruppen, zwischen den Völkern und Weltanschauungen. Der
heilige Benedikt hat sein Leben lang seine Erfahrungen gemacht. Er
hat gelernt, dass er als Mensch Fehler hat und macht. Das nicht nur
er, sondern auch andere recht haben können. Auf dem Höhepunkt
seines Lebens nach vielen Versuchen und Erfahrungen schreibt er
seine Regel und in dieser Regel meint er: "Wenn es in der
klösterlichen Gemeinschaft Probleme gäbe und wichtige
Entscheidungen zu treffen sind, soll der Abt die ganze Gemeinschaft
zusammenrufen und sie sollen darüber miteinander reden. Der Abt
soll den Rat aller Brüder hören. Nicht nur der Älteren, sondern
auch der Jüngeren, weil Gott oft einem Jüngeren offenbart, was das
Bessere ist. Erst dann soll der Abt entscheiden."
Das Reden miteinander, das Hören aufeinander, der Austausch der
Meinungen, der Dialog sind Hilfe auf unserem Weg. Im Dialog
geschieht lebendige Suche nach Gott.
Mittwoch, 19, Dezember 2001
Es ist Advent. Suchet den Herrn, solange er sich finden lässt.
Wir wissen eigentlich immer was Gott zu tun hätte. Er müsste
dreinschlagen, die Bösen bestrafen, die Guten belohnen. Wir merken
dabei nicht, dass wir unser Maß anlegen. Wir tragen das in Gott
hinein, was wir denken und fühlen, und doch ist Gott ganz anders
als wir ihn uns vorstellen. Der Prophet Elia hatte einen großen
Sieg errungen auf dem Berg Kamel hatte er die Baalspriester
herausgefordert. Beide sollten sie ein Opfer zurüsten, dass nach
langer Dürre Regen bringen sollte. Nicht die Baalspriester, sondern
das Opfer des Elia brachte den lang ersehnten Niederschlag. Elia
eiferte für seinen Gott und ließ am Höhepunkt seines Erfolges
alle Baalspriester umbringen. Ob sein Gott das so gewollt hatte?
Doch bald wendete sich das Rad. Die Königin erhält wieder die
Oberhand und Elia muss fliehen. In der Wüste hadert er mit seinem
Gott: "Es ist genug Herr. Nimm mein Leben, ich bin nicht besser
als meine Väter." Dann schlief er ein. Zweimal weckte ihn ein
Engel, gab ihm zu Essen und zu Trinken und forderte ihn auf zum
Gottesberg Horeb zu gehen. Am Horeb erschien ihm sein Gott. Ein
Sturm, Feuer vom Himmel, ein Erdbeben gingen vor ihm her, doch Gott
war nicht im gewaltigen, sondern im sanften Säuseln des Windes.
Elia musste lernen, dass sich Gottes Wille nicht den großen
gewaltigen Dingen zeigt, dass Gott nicht wie Menschen ist, die
wissen wie dieser Gott handeln müsste. Er eiferte für seinen Gott
und doch ist dieser Eifer ein sehr menschlicher Eifer gewesen. Er
handelte wie ein Mensch handelt und nicht so wie Gott es will. Er
brauchte geraume Zeit und musste manches Leiden, bis er Gottes
Willen wirklich verstand. Wie oft zeigt sich unser Eifer sehr
elementar und lässt uns Dinge tun, die nicht gut sind. Im Grunde
ist es gut, dass wir einmal nicht in die Hände von Menschen fallen,
sondern in Gottes Hände.
Donnerstag, 20. Dezember 2001
Es ist Advent. Suchet den Herrn solange er sich finden lässt.
Wir alle brauchen bestimmte Ordnungen, einen Rahmen für unser Leben
miteinander. Lebten wir alleine, könnten wir alles so laufen
lassen, wie es uns gefällt. Wenn jedoch mehrere Menschen beisammen
sind, würde ein Zusammenleben ohne Konvention und Gesetze,
Ordnungen nicht möglich sein. Auch wir selbst brauchen für unser
persönliches Leben gewisse Regelungen, wenn wir nicht völlig
verkommen möchten. Diese Ordnungen stören uns bisweilen, und sind
doch lebensnotwendig. Es gibt jedoch Situationen, in denen tiefere
Gesetze und Ordnungen wirksam werden, die den Buchstaben der Ordnung
zu widersprechen scheinen. Da gilt es, die Dinge nicht nur mit den
Sinnen wahrzunehmen, sondern mit dem Ohr des Herzens zu hören. Es
bedarf der Suche nach dem, was Gottes Wille ist. Wieder soll eine
Legende über Benedikts Leben zeigen, wie dieser Heilige bis in sein
hohes Alter lernen musste, was Gott wirklich will. Zweimal im Jahr
traf er sich mit seiner Zwillingsschwester Scolastica. Als sie das
letzte Mal vor ihrem Tod beisammen waren und sie das sehr stark
spürte, bat sie Benedikt, als dieser wieder ins Kloster
zurückkehren wollte, er möge doch noch bleiben, sie müsste noch
vieles mit ihm besprechen. Er aber verwies sie auf die Ordnung des
Klosters, die er selbst aufgestellt, und selbst auch halten musste.
Als alle ihre Bitten vergeblich waren, betete sie zu Gott. Da kam
ein arges Unwetter und Benedikt konnte nicht hinaus. "Frau was
hast du getan", rief er. Und sie: "Ich habe dich gebeten
und du hast nicht gewollt, da habe ich meinen Gott angefleht und du
siehst, geh nur fort, wenn du kannst."
Ohne Ordnung ist ein gemeinsamen Leben nicht möglich. In der
Familie, im Beruf, wo immer. Es gibt aber Situationen, wo die Liebe
wichtiger wird, das zu lernen, auf diese Weise Gott zu suchen ist
sicher täglich neu, Aufgabe unseres Lebens.
Freitag, 21. Dezember 2001
Bald kommt Weihnachten. Suchet den Herrn, solange er sich finden
lässt. Bisweilen spießt sich unser Zusammenleben mit den Menschen,
die uns aufgegeben sind. Man kann oft wirklich nicht sagen warum es
bisweilen nicht gehen will. Es zeigt sich kein Weg. Manchmal wieder
bildet man sich ein zu wissen warum ein bestimmter Mensch unmöglich
ist. Wo der Hund begraben liegt. Wieder kann eine Legende um den
heiligen Benedikt zeigen wie die Dinge wirklich liegen. Die Mönche
waren beim Bau des Klosters Monte Caseno. Bei dieser Arbeit stießen
sie auf einen Stein, der in der Mitte lag. Trotz aller gemeinsamen
Anstrengung, ließ sich der Stein nicht von der Stelle heben. Sie
riefen den heiligen Benedikt, und waren sicher er würde einen Weg
finden. Benedikt betet und gibt den Segen. Da ließ sich der Stein
spielend leicht wegheben. Die Mönche gruben weiter und fanden
darunter ein Götzenbild. Sofort erwarfen sie es weg und es fiel in
die Küche. Da war es ihnen, als brennte die Küche lichterloh. Auf
das Geschrei der Mönche kam Benedikt wieder und sah, dass sich die
Flammen nur in den Augen der Mönche zeigten, und nicht aber
wirklich loderten. Wieder betet er und die Mönche konnten die
Wirklichkeit sehen.
Wenn das Problem in der Mitte liegt, wenn wir alles nur mit
unseren eigenen Augen sehen, kann der Gedanke an Gott plötzlich
zeigen worauf es wirklich ankommt. Wie alles wirklich ist, was
alleine wichtig ist. Wenn wir in unserem Miteinander nicht nur uns
selber sehen, sondern auch den, der uns wollte und trägt wird
vieles möglich was zunächst unmöglich schien. In unserem
Unterwegssein, in unserem Suchen leuchtet immer wieder ein Licht
auf, wo vorher alles nur dunkel war. Wo der Stein wohl heute liegt
welche Vorstellungen uns heute als die allein richtigen scheinen.
Samstag, 22. Dezember 2001
Sehr bald kommt Weihnachten. Suchet den Herrn, solange er sich
finden lässt. Wir sind ganz bestimmte Menschen und leben mit ganz
bestimmten Menschen. Das Miteinander kann wunderschön sein, aber
auch belastend. Wenn sehr unterschiedliche Charaktere
aufeinanderstoßen, wenn sehr verschiedene Vorstellungen bestimmend
sind, gibt es Konflikte. Wo ist Gott? Was ist sein Wille?
Der heilige Benedikt hatte drei Jahre in der Einsamkeit ganz für
sich und Gott gelebt. Er hatte seinen Weg gefunden, und war
innerlich froh. Von seiner Persönlichkeit muss aber etwas
ausgegangen sein, weil ihn plötzlich die Menschen aufsuchten und
sich von ihm Wegweisung holten. Mönche der Nachbarschaften wollten
ihn sogar als Abt haben. Lang wehrte er sich, weil er meinte er
würde zu streng sein. Doch dann ließ er sich überreden und wurde
Abt. Bald jedoch kam es zu Schwierigkeiten, weil der heilige
offensichtlich wirklich zu streng war. Da wollten sie den Abt
loswerden und reichten ihm einen Becher mit vergifteten Wein.
Benedikt segnete den Becher, dann zerbrach er. Wahrscheinlich hatte
Benedikt wirklich zu große Strenge walten lassen, wenn er sein Maß
bei den Mönchen anlegte. Er musste offensichtlich eine
Grenzerfahrung machen, die ihm auf seinen Weg, auf seiner Suche nach
Gottes Willen neues Verständnis brachte. Später schreibt Benedikt
eine Regel die sehr deutlich zeigt, dass er aus all diesen
Erfahrungen gelernt hat, was Gott wirklich will. Das er sein Leben
lang auf der Suche nach dem rechten Weg war. In dieser Regel zeigt
sich, dass Benedikt alles so anordnen möchte, dass Starke angezogen
und Schwache nicht abgestoßen werden. Der Abt solle die Fehler
seiner Brüder hassen, die Brüder aber soll er lieben. Er soll
nicht zu weit gehen, wenn er den Rost allzu eifrig auskratzt
verletze er das Gefäß.
Täglich machen wir unsere Erfahrungen. Sie können uns helfen
den Weg zu finden, der für uns richtig ist. Diese Erfahrungen
können uns auf der Suche nach dem was Gottes Wille ist Licht werden
lassen.
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