Katholischer Gottesdienst

 

Sonntag, 14. 12. 2003, 10.00 Uhr - 11.00 Uhr, 

 ORF Regionalradios

 

 

Predigt:

 

Liebe Schwestern und Brüder!

In der Vorweihnachtszeit sagen Eltern manchmal zu ihren Kindern: „Wenn du nicht brav bist, dann kommt das Christkind nicht zu dir!" Dabei merken solche Eltern nicht, wie sehr sie mit dieser Drohung und mit dieser Pädagogik das Geheimnis von Weihnachten missbrauchen, entstellen und verfremden. Ist denn Gott Mensch geworden, weil wir so brav sind und bei uns alles in Ordnung ist? Ganz gewiss nicht! Denn der Grund für die Menschwerdung Gottes ist alles andere als die Belohnung für unser Wohlverhalten und für unser Brav-sein. Vielmehr trifft das Gegenteil zu.

 

Er wurde Mensch,

- weil wir alle Sünder sind

- weil uns Elend, Not und Schuld gefangen halten und bedrücken

- weil wir uns nicht selbst retten und erlösen können

 

Er wurde Mensch,

- weil bei uns so Vieles nicht in Ordnung ist

- um uns in all dem, was uns bedrückt und belastet, nicht allein zu lassen

- um uns aus diesem Tal der Tränen herauszuführen und uns zu zeigen, was menschenmöglich ist, wenn man sich von ihm in die Hand nehmen lässt.

 

Das ist der weihnachtliche Gedanke Gottes. Er ist der tiefste Grund unserer Freude auf dem Weg zum bevorstehenden Fest.

 

Wie tief diese Freude das menschliche Herz erfüllen kann, zeigt uns der Apostel Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi. Als Paulus diesen Brief im Jahre 58 von Rom aus schrieb, saß er bereits vier Jahre im Gefängnis und sah mit großer Wahrscheinlichkeit seinem Tod entgegen. Die Philipper dagegen standen noch am Anfang ihres Weges als Christen, und dunkle Tage, Gefahren und Verfolgungen lagen unausweichlich vor ihnen. Dennoch fordert sie Paulus in seinem Brief auf: "Freuet euch im Herrn zu jeder Zeit! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts."

 

Die Freude aber, die Paulus hier meint, ist alles andere als jubelndes Hochgefühl. Sie ist keine Euphorie, kein seliges Gefühl, in dem man die ganze Welt umarmen möchte. Die Freude, zu der Paulus aufruft, ist anderer Art. Es ist eine Freude. die die Augen nicht vor der Vergänglichkeit, vor dem Tod und vor dem Zerfall verschließt.

 

- Diese Freude übersieht auch diejenigen nicht, die sich heute nicht satt essen können, die sich einsam und verlassen fühlen.

- Sie vergisst nicht jene, die ohne Hoffnung in unseren Krankenhäusern liegen.

 

Dennoch bleibt sich diese Freude bewusst, dass weder persönliches Leid noch das das ganze Elend dieser Welt ewig dauert. Diese Freude lebt aus dem felsenfesten Glauben, dass der menschgewordene Gott in all das eingegangen ist, dass er all das durchlitten, dass er all das auch überwunden hat, sodass Elend und der Tod nicht das Letzte in unserem Leben sind. Daher betet die Kirche gerade in diesen Tagen: "Herr, zeige uns den rechten Weg durch diese vergängliche Welt und lenke unseren Blick auf das Unvergängliche."

 

Weihnachten - ein freudiges Ereignis!

 

- Wir schenken, weil sich Gott uns geschenkt hat.

- Wir lieben, weil uns Gott zuerst geliebt hat.

- Wir dürfen gelöst sein, weil Gott uns erlöst hat.

 

Eine Freude, die nur im Gefühl besteht, lässt uns am Ende der Weihnachtstage sagen: "Schade, jetzt ist schon alles wieder vorbei!"

Die Freude aber, zu der uns Paulus aus dem Gefängnis heraus aufruft, bleibt, auch wenn die Weihnachtstage vergangen sind. Auch in den dunkelsten Stunden unseres Lebens will sie uns ermutigen und uns tragen. Von dieser Freude sagt Jesus in seinen Abschiedsreden, dass nichts und niemand sie uns nehmen kann (Joh. 16, 22).

 

AMEN