Katholischer Gottesdienst

 

Sonntag, 05. 06. 2005, 10.00 Uhr - 11.00 Uhr, 

ORF Regionalradios

 

Trieben, Steiermark

 

(10. Sonntag im Jahreskreis)   

 

Musik:

„Missa brevis“ von P. Alberich Mazak

GL 639 "Ein Haus voll Glorie" mit Wechselgesang "Es ist ein köstlich Ding" von Friedrich Zipp

Antwortgesang und Hallelujaruf von Balduin Sulzer

Jean Berger "Aller Augen warten auf dich"

Gerhard Schacherl "Gott ist unsere Mitte"

 

Ausführende:

Abt Bruno Hubl

Generalvikar Helmut Burkard

Pfarrer Pater Engelbert Hofer

6. und 7. Musikklasse des Stiftsgymnasiums Admont

Instrumentalisten

Leitung: Otto Sulzer

Prof. Albert Wonaschütz, Orgel

 

 

Gemeinde Trieben

 

 

Stift Admont

 

 

Predigt:

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn! Liebe Mitfeiernde und Zuhörer!

 

Sie alle, liebe Schwestern und Brüder, kennen vermutlich das geflügelte Wort: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Dieser Spruch hat eine größere Bedeutung, als man zunächst annehmen möchte. Viele Eltern sind wahrscheinlich erleichtert, wenn sie merken, dass ihr Kind Freunde und Freundinnen hat, die zu ihm passen. Andernfalls suchen sie ihr Kind vor dem schlechten Umgang  zu schützen. Ihr Kind darf nicht ohne weiteres jede und jeden ins Haus bringen. Die Sorge um den rechten Umgang  ist berechtigt.

 

Im Gegensatz dazu steht das seltsame Verhalten Jesu. Jesus nimmt Matthäus, einen Menschen mit einem schlechten Ruf, in seine Gemeinschaft auf. Hinsichtlich seines möglichen schlechten Einflusses oder seines schlechten Rufes scheint Jesus unbekümmert zu sein. Vielmehr  verteidigt er geradezu mit deutlichen Worten seine Vorgangsweise – gleichgültig, was die Menschen reden und wie sie urteilen.

 

Und deshalb könnte wohl niemand Jesus unterstellen, dass ihm bei seinen Personalentscheidungen ein unvorhersehbarer Fehler unterlaufen ist, agiert er doch mit Absicht und sehr überlegt. Menschen mit den unterschiedlichsten Charakteren gehörten ja zu seinem Apostelkollegium. Da ist etwa ein Zauderer – wie Petrus; da ist ein Mitglied einer Gruppe, die um ihrer Ideale willen auch vor Gewalt nicht zurückschreckt – wie der Zelot Simon oder da ist gar sein Verräter Judas. Und wenn Jesus außerdem immer wieder auch mit Geächteten verkehrte, wenn er mit ihnen aß und mit ihnen Freundschaft pflegte, wenn er ihnen Zuneigung bekundete und mit ihnen Feste feierte, dann setzte er ganz bewusst ein deutliches Zeichen. Nicht Verurteilung wollte er, sondern Barmherzigkeit und Güte.

 

Zudem rief Jesus die Mahnungen der Propheten in Erinnerung. Sie hatten ja wiederholt Barmherzigkeit eingefordert. Hosea etwa verweist auf die gelebte Liebe im alltäglichen Umgang mit den Menschen. Allerdings bedauert er auch, dass diese Liebe sich manchmal als sehr kurzlebig erweist. Ich erinnere nur an das, was wir eben durch die erste Lesung des heutigen Sonntags erfahren mussten: „Eure Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der bald vergeht“.  Verdunstet nicht tatsächlich unser gutes Wollen manchmal allzu schnell? Muss nicht selbst der Glaube nach und nach versickern, wenn man ihn nur gelegentlich - etwa in der Feier von einzelnen Festen und den einzelnen Höhepunkten des eigenen Lebens praktizieren möchte? Praktizierter Glaube und praktizierte Liebe ist dem Propheten des achten Jahrhunderts vor Christus   wichtiger als die Beachtung anerkannter Konventionen und ein bisschen Feiertagskultur mit religiöser Verbrämung.  So ist wohl auch das Wort des Hosea zu verstehen: „Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer“.

 

Liebe und Barmherzigkeit allerdings schließen auch den Menschen mit Fehltritten nicht aus.

Deshalb verweist der Apostel Paulus auf die ansteckende Kraft des Guten. Die zweite Lesung des heutigen Tages zeigt dies am Beispiel eines Glaubens, der ein ganzes Leben lang durchgetragen wurde. Paulus ist überzeugt, dass der Glaube Abrahams trotz großer Enttäuschungen zwar angefochten war, jedoch im Wesentlichen ungebrochen blieb. Dieser Glaube und das Vertrauen auf Gott bekam in den schweren Prüfungen und trotz nagender Zweifel schließlich immer mehr Kraft. Dieses Beispiel kann auch auf andere Menschen ansteckend wirken. So heißt es: „Doch nicht allein um seinetwillen steht in der Schrift, dass der Glaube ihm angerechnet wurde, sondern auch um unseretwillen.“

 

Mehr noch scheint das vorhin verkündete Sonntagsevangelium dies zu verdeutlichen: Die Pharisäer erfuhren damals als rechtschaffene Gläubige zweifellos große Akzeptanz. Das Verhalten Jesu jedoch mussten diese als demonstrative Provokation empfinden, wenn  er mit den Zöllnern und Sündern an einem Tisch saß und deren Gemeinschaft suchte. Tat er nicht ständig etwas Ungehöriges – den religiösen und kulturellen Gepflogenheiten Entgegengesetztes? Jesus macht klar, dass er keine Angst davor hat, sein Jüngerkreis könnte von der Schlechtigkeit anderer angesteckt werden und sie allesamt könnten schließlich auf die schiefe Bahn geraten. Vielmehr sollten gerade die als verkommen Verschriene durch ihn gesunden. „Denn nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ All jene, die am wirklichen Leben vorbeirudern, sollten durch seine Zuwendung und durch den Umgang mit ihm und seinen Jüngern vom Guten angesteckt werden.

Jesus also vertraut auf die Ansteckungskraft des Guten, auf die Ansteckungskraft der Liebe und auf die Ansteckungskraft seines Gottvertrauens. Sind viele von uns, liebe Gläubige, nicht auch schon einmal einer solchen Ansteckungskraft in irgendeiner Weise begegnet?

 

Manche Menschen machen auf mich einen besonderen Eindruck durch ihr Engagement und durch ihr selbstloses Verhalten. Engagierte können wirklich mitreißen. Tatsächlich können nur Glühende zum Glühen bringen! Nur Begeisterte können andere begeistern! Deshalb dürfen sich solche nicht vor den anderen verstecken oder sich in ihren eigenen Lebensraum verkriechen. Sie sollten ja nicht meinen, dass ihre Glaubenshaltung besser geschützt wäre, wenn sie mit ihrer Haltung nur unter sich – gleichsam abgeschlossen in den eigenen vier Wänden blieben – ihr Lebenszeugnis würde in dieser Enge ersticken.  Erwarten nicht viele in der Tat gerade auch von uns als Kirche die Offenheit gegenüber den Menschen unserer Tage? Wir sollten also keine Scheu davor haben, anderen zu begegnen und  zu unserer eigenen Überzeugung als Christ zu stehen. Als Christinnen und Christen dürfen wir immer wieder die Begegnung wagen im Vertrauen auf die Nähe Gottes und ermutigt durch das Beispiel Jesu und seiner Jünger. Nicht nur Hass kann ansteckend sein, sondern auch Liebe und Versöhnung. Nicht nur der Egoismus springt auf andere über, sondern auch gelebte Solidarität kann sich ausbreiten. Nicht nur Resignation kann lähmen, sondern auch die Hoffnung kann beleben und Menschen zu neuem Aufbruch zusammenführen.

 

Abt Kajetan Hoffmann von Admont hat sich im Jahre 1890 als Motto seiner Amtsführung das Wort gewählt: „Dum spiro spero – Solange ich atme, hoffe ich“  - Solange ich atme, hoffe ich! Liebe Gläubige, möge Sie diese Hoffnung stets beflügeln, immer wieder an das Gute im Menschen zu glauben – und möge ihnen diese Hoffnung immer wieder helfen, auf die Kraft der Liebe und der Barmherzigkeit zu vertrauen.   Amen.