Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von Mag.
Paul Arzt
Sonntag, 14.
Oktober 2001
In dieser Woche darf
ich Sie wieder mit meinen Morgengedanken in den Tag begleiten und
ich hoffe, dass auch für Sie wieder etwas dabei ist, was hilfreich
und anregend sein kann.
Heute ist sozusagen ein "ganz normaler Sonntag", der 28.
Sonntag im Jahreskreis. Mir gefällt an solchen schlichten
Sonntagen, dass man sich besser auf das Sonntagsevangelium, also die
Botschaft aus dem Leben Jesu, konzentrieren kann. Und die ist heute
sehr eindeutig: Jesus heilt zehn Aussätzige, also Menschen, die von
einer unheilbaren Krankheit gezeichnet und aus der Gemeinschaft
ausgeschlossen waren. Alle zehn werden unendlich froh darüber
gewesen sein, sich wie neugeboren gefühlt haben. Sie werden
frischen Mut gefasst haben. Ein neues Leben steht ihnen offen. Doch
die Erzählung des Evangelisten Lukas geht weiter: einer der Zehn
kommt zurück zu Jesus, er gibt Gott die Ehre, wirft sich vor Jesus
nieder und dankt ihm. Die Frage Jesu, wo denn die anderen neun
geblieben sind, bleibt unbeantwortet. Aber es ist wohl unsere
Aufgabe, dass wir sie hören. Ich merke, dass auch mich diese Frage
aufstachelt. Ist es nicht so, dass ich viel, ja sehr viel Gutes
erfahre in meinem Leben. Und umso mehr Gutes mir widerfährt, desto
selbstverständlicher nehme ich es an. Und vergesse die Dankbarkeit.
Dabei sollte es doch selbstverständlich sein, dass man DANKE! sagt,
wenn man beschenkt wird, wenn sich jemand voll Zuneigung auf mich
einlässt. Dankbar sein gegenüber den Mitmenschen und auch
gegenüber Gott, das ist der Kernsatz des heutigen Evangeliums. Und
zwar nicht, weil Gott es fordern würde, sondern weil Dankbarkeit
Beziehung schafft und mit neuem Leben erfüllt. Probieren Sie es
einfach aus. Sagen Sie heute einem Menschen ein herzliches DANKE!
für alles, was er oder sie Ihnen bedeutet oder für Sie getan hat.
Sie werden spüren, wie gut das tut. Ihnen selbst und auch Ihrem
Gegenüber.
Montag, 15.
Oktober 2001
Der Morgen, wenn wir erwachen, ist eine ganz besondere Zeit des
Tages. Und jeder beginnt ihn auf seine Art, und hat auch seine
persönlichen Morgengedanken. Mein siebenjähriger Neffe David denkt
als erstes ans Frühstück, wie er frei heraus sagt. Seinem älteren
Bruder Benjamin fällt das glücklichste Erlebnis vom Vortag ein,
und Samuel, der jüngste der drei Brüder, sagt: "Noch ein
bisschen kuscheln bei der Mama..." ist das Erste, was ihm in
der Früh einfällt.
Ein schöner Brauch ist das Morgengebet oder der Morgensegen. Ich
beginne den Tag mit Gott, indem ich alles, was vor mir liegt, in
seine Hände lege. Die Arbeit, die auf mich wartet, die Menschen,
die mir begegnen werden; das Schöne, das mir bevorsteht, und auch
Schweres, Unausweichliches, dem ich mich nicht entziehen kann.
Mir gefallen die Morgensegenssprüche "BIRKOT HASCHACHAR"-
wie sie auf Hebräisch heißen - besonders gut, die im Judentum
gebräuchlich sind. Einer dieser Segenssprüche lautet: "
Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der die
Blinden sehend macht." Und im 15. und letzten Segensspruch
heißt es: "Gelobt seist du, der dem Müden Kraft gibt."
Gleichgültig, ob wir
müde oder ausgeschlafen sind, wir empfehlen uns mit Leib und Seele
Gott, der uns die Augen öffnet für das Wesentliche und der uns
Kraft gibt, wenn wir müde werden.
So wünsche ich Ihnen Gottes Segen für diesen Tag und die Woche!
Dienstag, 16.
Oktober 2001
Wie 600.000 andere Österreicherinnen und Österreicher auch bin
ich ein Pendler. Ich fahre in der Früh mit dem Fahrrad zum Bahnhof;
dann geht es 32 Minuten Richtung Stadt und dort noch einmal fünf
Minuten mit dem Fahrrad ins Büro; freilich nur, wenn es das Wetter
zulässt. Sonst gehe ich dieses Stück zu Fuß oder fahre mit dem
Bus. Alles in allem brauche ich also täglich fast eine Stunde von
zu Hause an den Arbeitsplatz
Und der Heimweg in die Gegenrichtung läuft ähnlich ab: Rad,
Lokalbahn, Rad. Wieder eine Stunde, die ich unterwegs bin.
Manchmal frage ich mich, ob ich so etwas wie ein geborener Pendler
bin, weil ich meistens diese Zwischenzeiten des Unterwegs-Seins
zwischen zu Hause und dem Arbeitsplatz, zwischen meinem Privatleben
und dem Beruf als sehr wichtig erlebe. Zwischenzeiten, in denen ich
lesen kann oder Tagebuch schreiben, mit anderen Reisenden ins
Gespräch kommen oder einfach die Augen schließen und das
Morgengebet nachholen.
Ich möchte nicht einer Idylle der Pendler das Wort reden. Es ist
hart, wenn man drei oder mehr Stunden braucht, um an den
Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu gelangen. Und es ist auch
hart, wenn man unter der Woche gar nicht bei der Familie sein kann.
Aber wenn es nun einmal nicht zu ändern ist, kann ich versuchen,
diesen Zwischen- und Wartezeiten einen Sinn zu geben. Auch diese
Zeiten sind von Gott geschenkt. Und es liegt an uns, wie wir sie
nützen und füllen.
Mittwoch, 17.
Oktober 2001 - Ignatius von Antiochien
Heute gedenkt die Kirche des hl. Ignatius von Antiochien. Für mich
ist es immer wieder faszinierend, sich mit den ersten Zeugen des
Glaubens zu beschäftigen. Es ist ja für unser einen gar nicht so
leicht, sich vorzustellen, was Christsein bedeutet hat, als diese
Religion noch nicht staatlich geduldet oder gefördert wurde.
Damals, als es das Leben kosten konnte, wenn man sich gegen den
Trend zu Christus und seiner Gemeinde bekannt hat. So ist es auch
Ignatius ergangen, der um die Jahrhundertwende des 1. Jahrhunderts
nach Christi Geburt Bischof von Antiochien war. In seinem Namen
"Ignatius" steckt das lateinische Wort "ignis" -
das Feuer. Die Überlieferung sieht darin einen Hinweis auf seinen
starken, leidenschaftlichen Glauben, der ihn auch nicht vor dem
Martyrium zurückschrecken ließ. Im Amphitheater des Flavian in
Rom, später "Kolosseum" genannt, soll er von Löwen
zerfleischt worden sein.
Ignatius trägt auch den Ehrentitel "Säule der Kirche".
Wir dürfen also annehmen, dass er ein Mensch war, auf den man sich
verlassen konnte; der nicht heute dieses sagte und morgen ganz etwas
Anderes verkündete, ein Mann, bei dem Wort und Tat im Einklang
stand.
Heutzutage sehnen wir uns nach Menschen, die einen feurigen Glauben
haben. Und insgeheim wünschen wir uns, selber solche
feurig-glaubende Christen zu sein. Dabei wäre doch der brennende
Dornbusch, in dem Mose sein Gott als der "Ich-bin-da"
begegnete, ein deutliches Zeichen dafür, dass Glauben und
christliches Leben kein Dahinplätschern ist. Wer vom Geist Gottes
beseelt ist, strahlt etwas aus, trägt Feuer in sich: Feuer, das
wärmt und anstachelt zum Guten. Der kompromisslose Glaube des
Ignatius und seine Treue bis zum Tod können auch uns heute
anstacheln, dass wir nicht müde, fad und billig werden; dass wir
den Glauben wagen und auch bezeugen.
Donnerstag, 18.
Oktober 2001
Vor knapp drei Wochen hatte ich wieder einmal die Freude, bei einer
Taufe dabei zu sein. Junia, die Tochter meines älteren Bruders
Peter und seiner Frau Anna, wurde während des
Gemeindegottesdienstes getauft. Meine Nichte ist wohl die einzige,
die derzeit den Namen Junia trägt. Das hat nichts mit dem Monat
Juni zu tun. Nein, Junia wird im Schlusskapitel des Römerbriefs des
Apostels Paulus erwähnt, und zwar als Apostolin, also als
weiblicher Apostel. Kann es denn so etwas wirklich geben?
Die Bibelwissenschaft ist sich mittlerweile einig, dass es so ist.
Die Mehrzahl der Handschriften des Bibeltextes bezeugt es. In der
frühen Jesus-Bewegung, gab es Männer und Frauen, die den Glauben
an Jesus den Messias gelebt und gelehrt haben. Vieles von dieser
Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Mann und Frau ging im Lauf
der Jahrhunderte verloren und muss erst langsam Schritt für Schritt
zurück gewonnen werden.
Es ist meine Überzeugung, dass es bei den Bemühungen, Frauen und
Männern ihren Platz in den Gemeinden und Kirchen finden zu lassen,
darum geht, dass nicht Ängstlichkeit und falsch verstandene
Tradition das Entscheidende sind. Offenheit, Vertrauen und die
Rückbesinnung auf Jesus und die Anfänge nach seinem Tod und seiner
Auferstehung sind gefragt. Und da begegnen uns nicht nur Petrus,
Paulus und Andreas, sondern auch Maria von Magdala, andere wichtige,
oft namenlose Frauen - und auch Junia, die einen hervorragenden
Platz unter den Aposteln einnimmt und schon vor Paulus Christin
geworden war, wie dieser im Römerbrief schreibt.
Als der Pfarrer mit der neu getauften Junia auf den Armen am Ende
des Gottesdienstes Gottes Segen auf alle Versammelten herab rief,
hatte ich den Wunsch in meinem Herzen, dass uns allen mehr Vertrauen
in die Entwicklung und Entfaltung unserer Kirche geschenkt werde.
Freitag, 19.
Oktober 2001 -
Jean de Brébeuf
Heute ist der Gedenktag des hl. Jean de Brébeuf. Ein faszinierender
Heiliger, der heute vor allem deshalb aktuell ist, weil er bereits
im 17. Jahrhundert das verwirklichte, was heutzutage gang und gäbe
ist. Wenn Christen auf Menschen anderer Kultur und unterschiedlicher
Religion treffen, kommen sie nicht mit Schwert und Kreuz in den
Händen, sondern sie lassen sich auf das Andere, das Fremde ein. Sie
suchen Begegnung und Dialog. Sie suchen im Anderen die vielleicht
unterbelichteten Dimensionen des Glaubens und Lebens,
die in der eigenen Kultur und im eigenen Glaubensleben nicht
verwirklicht sind.
Jean de Brébeuf wurde 1593 in der Normandie geboren und war ab 1625
Missionar in Kanada beim Indianerstamm der Huronen, wo er die erste
Missionsstation der Jesuiten aufbaute. Für die Sprache der Huronen
verfasste er ein Wörterbuch, eine Grammatik und einen Katechismus,
war es ihm doch ein Herzensanliegen, nicht die Indianer Latein zu
lehren, sondern deren Sprache zu lernen. In ihrer eigenen Sprache
wollte er ihnen den christlichen Glauben verkünden. Das war
freilich mit vielerlei Rückschlägen verbunden, die auch mit den
Wirrnissen der damaligen Zeit zusammen hingen.
Heute sind nach diesem Missionar zahlreiche Schulen und sogar eine
Stadt in Kanada benannt. Und unvergesslich ist sein Huron-Carol: ein
Weihnachtslied in indianischer Sprache, das in englischer
Übersetzung auch noch heute so etwas wie das "Stille
Nacht-Lied" in Kanada ist.
Jean de Brébeuf
starb nach einem Überfall von Irokesen auf seine Huronenstation am
Marterpfahl zusammen mit seinen Gefährten 1649 und wurde gemeinsam
mit Missionaren des Jesuitenordens 1925 selig und 1930 heilig
gesprochen.
Er ist ein früher, mutiger Zeuge für Mission, wie sie Jesus
gewollt hat. Offen für die Kultur und die Lebensweise und die
Glaubenswelt des Anderen. Damit ist er auch ein Beispiel für uns in
einer Welt, in der wir immer öfter auch Menschen anderer Kultur und
verschiedener Religionen begegnen. Lassen wir uns ermutigen, ihre
Sprache zu lernen und ihre Feste und Lebensweisen zu verstehen, in
denen wir auch für uns viel Wertvolles entdecken können.
Samstag, 20.
Oktober 2001 -
Vitalis, Nachfolger des hl. Rupert als Bischof von Salzburg
Heute ist der Gedenktag des hl. Vitalis, des ersten Nachfolgers des
hl. Rupert als Bischof von Salzburg. Zugleich ist es der Namenstag
von Bruder Vital, der vor 2 1/2 Jahren gestorben ist. Er war
Hausmeister und Gärtner im Kapuzinerkloster Salzburg, wo ich
während meines Studiums vier Jahre lang im Studententrakt gelebt
habe. Bruder Vital ist für mich noch immer eine der prägendsten
Gestalten in meinem Leben, obwohl er sicher kein einfacher,
stromlinienförmiger Typ war. Aber er war einer, von dem ich sagen
kann: Nichts Menschliches war ihm fremd. So kam es, dass meine
Studienkollegen und ich in ihm einen Ansprechpartner gefunden haben,
wo sowohl im Gruppengespräch abends in der Heizung des Klosters als
auch spätnachts unter vier Augen alles Wichtige zur Sprache kommen
konnte: Prüfungsängste, Glaubensfragen, Schwierigkeiten mit
Freundinnen und was es alles gibt, das junge Menschen beschäftigt
und auf dem Herzen haben. Bruder Vital war da, hörte zu, erzählte,
was ihm aus seinem sehr abwechslungsreichen Leben dazu einfiel - und
nur ganz, ganz selten gab er wirklich als väterlicher Freund einen
Hinweis oder eine Empfehlung ab. So wie ich ihn erlebt habe, war er
fest davon überzeugt, dass jeder Mensch selbst seinen Weg finden
kann und muss. Und seine Aufgabe sah er darin, vielleicht ein
bisschen dabei mitzuhelfen. So wie ein Gärtner weiß, dass eine
Pflanze nicht schneller wächst, wenn man an ihr zupft. Er düngt
und gießt, aber die Pflanze wächst von selbst.
Es braucht Menschen, die das erkannt haben und die Jüngeren als
väterliche oder mütterliche Freunde oder Freundinnen zur Seite
stehen. Menschen, die säen, düngen und gießen, vor allem aber
wachsen lassen und sich freuen können daran, wie sich jeder Mensch
- gleichsam wie eine Pflanze - entfaltet.
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